Neues Album von Masha Qrella: Krise ist ihr Status quo
Ganz schön berauschend: Die Berliner Understatementpop-Königin Masha Qrella und ihr neues Soloalbum „Keys“.
Wenn Musik und Rausch nah beieinanderliegen, so kann das schon beflügelnde Wirkung haben. Insofern ist es viel versprechend, wenn Masha Qrella sagt, die Arbeit an ihrem neuen Album sei „rauschhaft“ gewesen. Von Beginn an habe sie gewusst, wie „Keys“ klingen soll.
„Ich hatte eine Vision, eine Vorstellung und die Songs waren einfach da“, sagt die Musikerin beim Interview im Berliner Büro ihres Labels, „ innerhalb eines Jahres stand das Album, was für mich eine kurze Zeit ist.“ Diese Leichtigkeit ist dem in Kürze erscheinenden fünften Album der Berliner Künstlerin anzuhören.
Ihre Songs, die auf simplen und eingängigen Gitarrenharmonien basieren und wie sanft skizzierte Alltagserzählungen daherkommen, klingen nach Disco und sind doch unaufdringlich, entspannt, aber nicht einschläfernd. „Ich wollte, dass das Album relaxt, cool und poppig ist, ohne die Hörer anzuschreien“, sagt sie. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie sehr zufrieden mit den elf Songs ist. Nur „ein bisschen Schiss“ habe sie. Vor Reaktionen wie: Ah, ein weiteres Masha-Qrella-Album.
Damit sagt die Künstlerin, die eigentlich Mariana Kurella heißt, etwas vielleicht Entscheidendes. Denn einen Namen in der Musikszene hat sich die 1975 in Ostberlin geborene Gitarristin und Sängerin längst gemacht. Ihre früheren Bands Mina und Contriva galten in den späten Neunzigern und frühen nuller Jahren als zeitgemäße Symbiose zwischen Postrock und Clubmusik.
Masha Qrella: “Keys” (Morr Music/Indigo)
Live: 30.3. Berlin "Ballhaus", 31.3. Hamburg "Kleiner Donner", 1.4. Düsseldorf "Kassette", 2.4. Offenbach "Hafen 2"
Auch solo hat sie seit ihrem Debütalbum auf Gudrun Guts Monika Enterprise-Label („Luck“, 2002) eine treue Anhängerschaft und wurde zuweilen auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt – zum Beispiel, als ein Song von ihr als Musik zur US-Fernsehserie „Grey’s Anatomy“ ausgewählt wurde. Zudem hat sie intensiv mit dem Künstlerkollektiv Gob Squad zusammengearbeitet und schien in der Queerszene sehr präsent – sie selbst betont ihre Sympathie für „alles, was queer ist – im Sinne von offen, ohne feministische Kampfansage“.
Verletzlich und geradlinig
Mit „Keys“ könnte sie endlich über enge Szenegrenzen hinaus bekannt werden. Denn unter den von sanften Beats unterlegten Singer/Songwriter-Stücken sind richtige Hits – die erste Singleauskopplung „DJ“ und der Titeltrack „Keys“ etwa. Qrella setzt Synthesizer und Gitarren dezent und reduziert ein; auch der für den Clubgebrauch geeignete Song „Pale Days“ klingt eher nach Chillout-Zone als nach Dancefloor-Getümmel. Die Musik wird getragen von der klaren, hohen Stimme Qrellas, der man Verletzlichkeit genauso anhört wie Geradlinigkeit und eine Berliner Schnauze. Und dann ist „Keys“ auch noch kluger Zitat-Pop, in dem die Tonfolgen – wahrscheinlich eher unbewusst – mal nach The Notwist, dann wieder nach Chris Isaak- oder Oasis klingen.
Viele Songs handeln von der Liebe und ihrem Scheitern, von Neuanfängen und ihrem Misslingen. Musik scheint für die Erzählerin eine Option, dem Alltag zu entfliehen. In „DJ“ kommt ein Spiel mit Identitäten hinzu: „I told my friends I´m a DJ/ I told my friends I´m a man/ I told my friends I was everything/ except the one I am.“ Vorurteile und Stereotype sind in mehrfacher Hinsicht Thema: Im Auftaktsong „Ticket To My Heart“ geht es darum, Geschlechterstereotypen zu entkommen, und in „Simple Song“ beschäftigt sich Qrella mit Etiketten, die ihr anhaften (“You might think that I´m a privileged/ And lazy slacker/ Who never had to fight/ Maybe it is true/But it´s not alright“).
„Keys“ wirkt wie das reifste Album der Berlinerin bis dato, vielleicht gerade weil es die permanente Krisenhaftigkeit zum Status quo erhebt. Das Album kommt musikalisch eine knappe Dreiviertelstunde ohne wirklichen Durchhänger aus; mitunter ist das ganz große Popmusik, die die großen Themen des Pop – Liebe, Sex, Alltag – erzählerisch in Drei- oder Vierminutensongs fasst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!