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Neues Album von CommonDen Laktosesünder überführen

Er macht Conscious-Rap und feiert das afroamerikanische kulturelle Erbe. Sein neues Album „Let Love“ ist eine umfassende Ode an die Liebe.

Common kann Sozialkritik und Liebeslieder schreiben Foto: dpa

Wäre Lonnie Rashid Lynn eine Frau, sie hätte noch heute damit zu kämpfen, dass alle sie auf die Rolle der Verflossenen von dem und dem Promi reduzieren. Lynn ist zwar der Ex von Tennisprofi Serena Williams, aber er schauspielert, setzt sich für Vegetarismus und gegen Waffengewalt ein, ist Autor und man kennt ihn vor allem als Rapper. In den neunziger Jahren wurde der Mann aus Chicago unter dem Namen Common bekannt. Er macht Conscious-Rap, weist auf soziale Missstände hin, prangert Diskriminierung an, feiert aber auch das afroamerikanische kulturelle Erbe.

Lynn, geboren 1972, ist ein Rapper, der bei aller Sozialkritik immer das Positive im Blick hat. Auf seinem neuen Album „Let Love“ stellt er das wieder einmal in den Mittelpunkt. Es ist eine umfassende Ode an die Liebe: die Liebe zu Gott, zur Mutter, zur Tochter, zur Musik und nicht zuletzt die Liebe zur afroamerikanischen Kultur. Inspiriert dazu hat ihn sein im Mai erschienenes Memoir „Let Love Have the Last Word“ – eine Mischung aus Autobiografie, Predigt und Selbsthilfebuch.

Das Album sei nicht bloß Soundtrack zum Buch, betont Common in Interviews. Er hat recht, der Musik fehlt das Epische, Hymnische eines Soundtracks, ein Merkmal, das zum Beispiel sein oscarprämierter Song „Glory“, Titelsong des Bürgerrechtsdramas „Selma“, hat. „Let Love“ ist eher Hintergrundmusik, optimal für eine Schmökerstunde (mit Lynns Buch zum Beispiel) im Lieblingscafé.

Auf elf Songs schmiegt sich Commons Stimme an jazzig-soulige Soundscapes. Alles fügt sich so perfekt ineinander, dass keine Möglichkeit zum Eintauchen bleibt – ein undurchlässiger, behaglicher Klangteppich. Auf diesem aber zeigt Common ein immenses Spektrum: Doppel- und Dreifachreime, Sprachspielereien, Mehrdeutigkeiten. Diese Fixierung auf das Handwerkliche wirkt 2019 zwischen Cloud- und Mumblerap etwas aus der Zeit gefallen, passt aber zu einem Altmeister, der gelegentlich auch Gedichte schreibt.

Keep your mind free

So konstruiert Lynn in „HER Love“ eine ganze Strophe um die Namen von Rapper*innen herum. Dabei entstehen kryptische Lines wie „If you could dot com, you could dot K / You rock two chains, keep your mind free.“ Man bräuchte einen ganzen Absatz, um erschöpfend zu erklären, wie die Anspielungen auf Kendrick Lamar und Two Chainz gemeint sind.

Die Botschaft des Songs lässt sich einfach auf den Punkt bringen: Common erzählt die Geschichte seiner großen Liebe. Dabei handelt es sich nicht um eine Frau (tja, Serena), sondern um HipHop. Die Idee ist wahrlich nicht neu. Common selbst hatte sie schon 1994 mit „I Used To Love H.E.R“, das „HER Love“ zwar musikalisch aufgreift, aber nicht weiterentwickelt. Muss es aber vielleicht auch nicht: Common war schließlich schon damals gut, und die Botschaft, dass HipHop eine Alternative zu Gewalt und Perspektivlosigkeit sein kann, ist immer noch aktuell.

Er findet dabei gelegentlich Worte, die so neu wirken, dass sie berühren

Man merkt nicht nur an diesem Song, dass es schwer ist, 2019 noch etwas Neues über die Liebe zu erzählen. Common beschreibt auf „Let Love“ vor allem Bekanntes, Nachfühlbares. Er rappt darüber, wie es ist, als Vater wenig da sein zu können (traurig), und wie sehr er seine Mutter liebt (sehr).

Er findet dabei aber gelegentlich Worte, die so neu wirken, dass sie berühren. Zum Beispiel, wenn er in „Memories of Home“ über seinen abwesenden Vater rappt: „There’s only so far that words can hug“. Ein zurückhaltend-jazziger Beat und der von Samora Pinderhughes gesungene sphärische Refrain kontrastieren dabei Commons nüchterne, unmittelbare Art zu erzählen.

Seine Frau ist laktoseintolerant

Die wortreiche Detailverliebtheit seiner Raps funk­tioniert vor allem dann, wenn Lynn Geschichten im klassischen Sinn erzählt – und man genau hinhört. „Fifth Story“ handelt beispielsweise von einem Betrug. Ein Kuchen wird dem fremdgehenden Mann zum Verhängnis, denn: Seine Frau ist laktoseintolerant, der entdeckte Kuchen nicht laktosefrei. Das ist vielleicht das erste Mal, dass jemand wegen Milch überführt wird.

Das Album

Deichkind: „Wer Sagt Denn Das“ (Sultan Günther Musik/Universal)

Man kann also doch noch Neues über die Liebe schreiben! Wirklich spannend ist aber die Tatsache, dass der Mann in der Geschichte Veganer ist. Common lebte früher auch vegan. Ist er selbst etwa der Laktosesünder? Vielleicht erfährt man das in seinem Buch.

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