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Neuerungen bei FacebookWenn alles mit allem vernetzt wird

Es sind die größten Änderungen in der Geschichte von Facebook: Nutzer sollen andere künftig noch umfangreicher und schneller informieren können. Eine neue Datenschutz-Debatte dürfte folgen.

Hat sein Netz ausgeworfen: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Bild: reuters

SAN FRANCISCO dpa | Ob beim Kochen oder Joggen, Musik hören und Filme gucken: Facebook will sich noch tiefer im Leben seiner 750 Millionen Mitglieder verankern. Das Online-Netzwerk kündigte am Donnerstag auf einer Entwicklerkonferenz etliche neue Funktionen an, mit denen Nutzer mehr aus ihrem Alltag preisgeben können.

Musik, Filme und Nachrichten spielen dabei eine zentrale Rolle. Mit den wohl größten Änderungen in seiner Geschichte beschwor das Unternehmen aus San Francisco allerdings sogleich Datenschutzbedenken herauf.

Wichtiger Bestandteil der vielen Neuerungen ist die Möglichkeit, Medieninhalte zu empfehlen. Nutzer sollen ihren Freunden zeigen können, welche Musik sie gerade hören, welche Filme sie schauen oder welche Artikel sie lesen.

Dafür richtet das Unternehmen ein neues Tickerfenster ein, in dem Meldungen in Echtzeit einlaufen. Dutzende Musikdienste, Online-Videotheken und Websites von Medienunternehmen kooperieren mit Facebook, darunter bekannte Namen wie Spotify, Netflix und das Wall Street Journal.

Zudem will Facebook seine Nutzer mit überarbeiteten Profilen enger an sich binden. Mitglieder können auf einer Zeitleiste (Timeline) alle wichtige Dinge aus ihrem Leben in einem Magazin-artigen Layout zeigen. Das können Fotos sein oder die Orte, an denen sich sich oft aufhalten. Auch Kochbücher und Jogging-Tagebücher, die externe Firmen auf Facebook anbieten, lassen sich integrieren.

Ende der Privatsphäre?

"So erzählt man die ganze Geschichte seines Lebens auf einer einzigen Seite", sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Spiegel Online bezeichnete die Funktion als "Lebensarchiv". Eingeführt werden soll sie in den nächsten Wochen.

Facebook versprach, dass Nutzer die Kontrolle darüber behalten, was ihr Netzwerk über sie erfährt. Viele Beobachter äußerten dennoch Datenschutz-Bedenken, in ersten Reaktionen von Twitter-Nutzern war vom "Ende der Privatsphäre" die Rede.

Ob diese Kritik berechtigt sei, hänge stark von der Umsetzung der neuen Funktionen ab, sagte der Gartner-Analyst Michael Gartenberg der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist noch zu früh, um das zu bewerten. Facebook hat mittlerweile gelernt, dass sie in diesem Bereich vorsichtig sein müssen." Entscheidend sei die Frage, ob das Unternehmen die Informationen standardmäßig veröffentliche oder die Nutzer erst zustimmen müssten.

Mit den angekündigten Neuerungen wolle sich Facebook noch tiefer im Leben der Nutzer verankern - etwa indem sie über ihre Freunde neue Inhalte entdecken, sagte Gartenberg. "Die Idee dahinter ist, dass die Nutzer mehr und mehr Zeit auf Facebook verbringen und dessen Dienste nutzen." Der amerikanische Journalismus-Dozent und Blogger Jeff Jarvis schrieb, Facebook erhöhe die Hürden, sich von der Plattform abzumelden: "Man verliert sein Leben."

Neuerungen im Wochentakt

Mit den Änderungen facht das Unternehmen die Konkurrenz zu Google+ weiter an - dessen Betreiber Google hatte seinen Gegenentwurf zu Facebook jüngst für alle Nutzer geöffnet und mehrere technische Neuerungen angekündigt.

Facebook stellt derzeit im Wochentakt Neuerungen vor. So hilft das Unternehmen seinen Mitgliedern seit kurzem, den Empfängerkreis von Informationen einzuschränken. Dafür erstellt die Software anhand der Profilinformationen automatisch Listen, etwa mit Kollegen, Verwandten oder Mitschülern. Nutzer können zudem öffentliche Einträge anderer Mitglieder abonnieren, ohne deren Facebook-Freund zu sein. Google+ bietet ähnliche Funktionen an.

Erst diese Woche hat Facebook Änderungen am zentralen Element seiner Website vorgenommen, dem Live Stream, in dem Nutzer alle Neuigkeiten aus ihrem Netzwerk sehen. Dies solle sicherstellen, dass dort auftauche, was man sehen wolle, erklärte Facebook.

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5 Kommentare

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  • DS
    Dr. Schreck

    Ganz Unrecht hat Infiltrator da nicht, aber die von Sabrina genannten Gefahren, die sich da auftun, tun sich nur für diejenigen auf, die auf Facebook auch wirklich Persönliches veröffentlichen. Pseudonyme, gefakete Mailadressen, falsche Geburtsdaten, keine Auskünfte über Aufenthalts-, Geburts- und Wohnorte, keine Kinderfotos von sich und den Freunden hochladen und taggen - ich hoffe ja, daß die Datenkrake es so ein bisserl schwerer hat, an mich ranzukommen.

     

    Ich sehe das Problem weniger bei Facebook, die einfach nur expandieren, wie sich das für einen Großkapitalisten gehört, sondern bei den Milliarden unmündiger User, die glauben, was ihnen FB und Konsorten so erzählen - daß nämlich ihr Leben ab jetzt nix mehr wert ist, wenn sie sich nicht dort anmelden.

     

    So ein bisserl denk ich mir schon: Wer sich darauf einlässt, ist selber Schuld. Andererseits, auch bei mir läuft wahnsinnig viel Kommunikation über FB, das hat sich halt so entwickelt. Aber wie gesagt: Omi lädt einfach keine Babyfotos von mir hoch, und ich sage nicht, dass ich meinen Chef blöd finde und an gewalttätigen Systemausfällen leide, und kein zukünftiger Chef wird mich allzu leicht entblößen.

     

    Hoffe ich...

  • D
    Daniel

    IBeängstigend, ich habe es gerade ausprobiert, man kann sogar eintragen wann "man einen geliebten Menschen verloren" oder "eine Krankheit überwunden" hat, das ist an Perversität kaum zu überbieten.

  • CC
    Claro Carajo

    facebook ist auf dem holzweg. die meisten user wollen eine möglichst einfache platform, an der sie nichts arbeiten müssen, sondern stumppf konsumieren können. wenn facebook seine mitglieder aktiver mit einbringen will, ist seine zeit bald abgelaufen

  • I
    InFiLtRaToR

    Wenn die Leute abhängig von sozialen Plattformen werden liegt das an Ihrem armseligen Leben und ihrer Unfähigkeit ihre freie Zeit kreativer zu gestalten.

     

    Da kann Fakesbook nix dafür.

  • S
    Sabrina

    Das ist unglaublich, was Facebook da vor hat. Der Mensch wird quasi komplett digitalisiert. Wenn man weiß, dass Facebook aus diesen Daten Persöhnlichkeitsprofile erstellt und die an Firmen verkauft, dann werden diese in Zukunft kaum noch etwas vom Menschen verbergen.

     

    Das Buch von Kurz/Rieger "Datenfresser" hat mir eindrucksvoll aufgezeigt, welche Gefahren das für uns in Zukunft in einer zunehmend digitalisierten Welt haben wird. Bei Vorstellungsgesprächen wird bspw. der Bewerber nicht mehr eingeladen, sondern aus seinem Datenprofil werden Psychogramme bzgl. seiner Stärken und Schwächen wie Arbeitsmoral, Fleiß, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Gesundheit erstellt und ausgewertet. Bei Google-Mitarbeitern erfolgt das bereits heute.

    Kommen dann noch die Genominformationen wie Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten etc. dazu ist ein Mensch von vorn herein abgestempelt.