Neuer Straßename in Hannover: Den Kolonialisten in Ehren
Mit einer Klage gegen die Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Allee scheitern AnwohnerInnen vor dem Verwaltungsgericht Hannover. Der General sei eine hochgeehrte Persönlichkeit gewesen, sagt ihr Anwalt.
HANNOVER taz | Die Lettow-Vorbeck-Allee in Hannover-Badenstedt wird umgetauft. Das zu verhindern, haben AnwohnerInnen mit einer Klage gegen die Umbenennung in Namibia-Allee vor dem Verwaltungsgericht versucht.
Am Donnerstag wurde die Klage abgewiesen, eine Berufung nicht zugelassen.
Seit 1937 ist die Straße nach Paul von Lettow-Vorbeck benannt, preußischer Generalmajor bei den Ostafrikafeldzügen und Ikone der Kolonial-Revisionisten. Ändern will das der rot-grüne Rat der Stadt, bereits 2009 hat er einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Lettow-Vorbecks Beteiligung am Vernichtungskrieg gegen die Herero im heutigen Namibia 1904 und am reaktionären Kapp-Putsch gegen die Weimarer Demokratie im Jahr 1920 sind nur zwei der Stationen seiner Biographie, die der Rat dabei anführt.
Ein im Auftrag der Stadt erstelltes Gutachten des Historikers Helmut Bley, emeritierter Professor für Neuere und Afrikanische Geschichte, attestiert Lettow-Vorbeck "eine völlig amoralische Position gegenüber Menschenrechten und Menschenwürde" und ein "radikal gestörtes Verhältnis zu Politik im Interesse des Militärischen".
Anders sieht man das nicht nur in der hannoverschen Lettow-Vorbeck-Allee. Knapp 200 Unterschriften gegen die Umbenennung haben AnwohnerInnen gesammelt.
Beim Vernichtungskrieg gegen die Herero im Jahre 1904 im heutigen Namibia stand Lettow-Vorbeck General Lothar von Trotha als Adjutant zur Seite. Rund 70.000 Menschen fielen den Truppen des deutschen Kaiserreichs zum Opfer.
2004 entschuldigte sich mit der damaligen Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) erstmals eine deutsche Regierungsverantwortliche für das Massaker.
Als Kommandeur beim Ostafrikafeldzug während des 1. Weltkriegs befürwortete Lettow-Vorbeck die Kriegsführung der "verbrannten Erde". Bis zu 300.000 Zivilisten starben.
Lettow-Vorbeck wurde lange als Held gefeiert. 1964 wurde er mit allen militärischen Ehren beerdigt. Der damalige Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) rühmte ihn in seiner Trauerrede als "Leitbild".
Ein Nachfahre Lettow-Vorbecks erstattete 2010 Strafanzeige gegen Gutachter Bley, Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD), mehrere Verwaltungsmitarbeiter und Ratspolitiker wegen "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener".
Das Verfahren wurde innerhalb weniger Tage eingestellt, mangels hinreichenden Tatverdachts, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover erklärt.
"Tendenziös, unvollständig und falsch" sei das Gutachten Bleys, auf das sich die Stadt beruft, sagt Kläger-Anwalt Siegfried Reszat vor Gericht. "Das akzeptieren wir nicht", ruft er, als das Gericht zusätzlich aus der mit dem Werner-Hahlweg-Preis für Militärgeschichte ausgezeichneten Biographie des Historikers Eckard Michels über Lettow-Vorbeck zitiert.
Michels schreibt von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Einheimischen, die von Lettow-Vorbecks Truppen verschleppt und versklavt worden waren.
Eine "hochgeehrte Persönlichkeit" sei Lettow-Vorbeck bis zu seinem Tod 1964 gewesen, sagt Reszat, und habe "nichts anderes als andere Soldaten auch" getan.
Reszat beruft sich auf andere Quellen: "Privatgelehrte" oder Berichte von Zeitzeugen - vornehmlich deutsche Offiziere. Die zeichnen das Bild eines ehrenwerten, ja fürsorglichen Generals.
Der Kläger Andreas L. selbst findet es "lächerlich, dass so was 70 Jahre nach Benennung der Straße ausgegraben wird".
Er und die etwa 40 anderen AnwohnerInnen im Gerichtssaal fürchten vor allem den Aufwand, den eine Umbenennung für sie bedeute: neue Papiere, neue Briefbögen und Visitenkarten. Über den Namensgeber ihrer Straße, so sagen sie, habe man sich nie Gedanken gemacht.
Der Rat der Stadt schon. Der bemüht sich seit Jahren, die Namen von zweifelhaften Persönlichkeiten von Hannovers Straßenschildern verschwinden zu lassen.
Die Kriterien dazu legt eine kommunale Richtlinie fest: die greift, wenn dem oder der NamensgeberIn "schwerwiegende persönliche Handlungen" oder die "aktive Mitwirkung in einem Unrechtssystem" zuzuschreiben sind.
Auf Lettow-Vorbeck, so betont der Vorsitzende Richter Werner Reccius, trifft all das zu. Der sei "zeitlebens überzeugter Monarchist und Antirepublikaner gewesen", seine Kriegsführung in Ostafrika habe gegen "wesentliche heutige Wertvorstellungen" verstoßen.
Die Entscheidung des Rates, die Lettow-Vorbeck-Allee umzubenennen, sei folglich "nicht zu beanstanden".
Andernorts geschieht das auch ohne richterliche Beschlüsse. In Lettow-Vorbecks Geburtsort Saarlouis etwa wurde eine nach ihm benannte Straße vor knapp einem Jahr umgetauft.
Das Lettow-Vorbeck-Gymnasium in Bremen, wo er zwischen 1923 und 1945 lebte, hat bereits seit 1945 einen neuen Namensgeber: Hermann Böse, Lehrer und Widerstandskämpfer.
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