Neuer Star beim Skilanglauf: Nordischer Werbeträger
Im Wintersport wird ein neuer Superstar aufgebaut. Der Norweger Petter Northug läuft der Konkurrenz meist auf und davon.
STOCKHOLM taz | An den Spiegel in seinem Badezimmer hat Petter Northug sich ein Foto von Alexander Legkow geklebt. Das Gesicht seines russischen Rivalen will er allenfalls hier vor sich sehen, in der Loipe aber nur weit hinter sich wissen. "Vor jedem Trainingslauf schaue ich mir das Foto an", erzählte der Shootingstar des norwegischen Skilanglaufs kürzlich der heimatlichen Lokalzeitung Stjørdalens Blad: "Das gibt mir extra Motivation."
Mag sein, dass das Bild geholfen hat. Northug führt zurzeit den Weltcup an - mit deutlichem Vorsprung vor dem Zweitplazierten Legkow. Der Norweger scheint derzeit unschlagbar zu sein und hat jetzt auch die ersten beiden Etappen der Tour de Ski gewonnen. Und zu Hause werden schon Wetten abgeschlossen, ob Northug bei den Olympischen Spielen von Vancouver gleich sechs Goldmedaillen oder womöglich "nur" vier gewinnen werde. Dabei ist die jetzige Saison - Northug kann am 6. Januar seinen 24. Geburtstag feiern - erst seine dritte in der norwegischen Nationalmannschaft.
Zu den Spielen 2006 in Turin hatte ihn sein Skiverband trotz einer schon damals beeindruckenden Erfolgsliste noch nicht nominiert. Die Begründung: Er sei zu "unfertig". Mit Wut im Bauch wurde er daraufhin nicht nur gleich als Junior norwegischer Meister über die 30 Kilometer der Senioren, sondern gewann bei der Junioren-WM in Slowenien alle individuellen Titel. Anschließend glänzte er im Weltcup, ließ im März 2006 in Falun die gesamte Weltspitze hinter sich und gewann als jüngster männlicher Sieger aller Zeiten ein Verfolgungsrennen.
In den folgenden Jahren ging es dann eher wechselhaft weiter. Enttäuschende Leistungen kratzten zwar nicht an seinem Selbstbewusstsein, doch kombiniert mit unbedachten Sprüchen, mit denen er beispielsweise Konkurrenten heruntermachte, verscherzte er sich viele Sympathien. Petter habe wohl aufgrund früher Erfolge zu sehr von der Wirklichkeit abgehoben, kritisierte sogar sein Vater. Dass er andere im Rennen gern die Arbeit machen lässt und sich auf seine Spurtqualitäten verlässt, trug auch nicht gerade zu steigender Popularität bei.
Eine neue Medienstrategie, in der der Skiverband den Jungstar in den letzten Monaten trainierte, könnten zusammen mit sportlicher Topform nun die perfekte Mischung zum populären Vorbildsportler abgeben. Es lockt dabei auch das ganz große Geld. In letzter Zeit lässt sich Northug gern mit einer silberblauen Getränkedose in der Hand fotografieren. Ein österreichischer Energy-Drink-Hersteller sponsert Northug seit Dezember - als ersten Skilangläufer überhaupt. Die Strategie: "Die Antwort des norwegischen Langlaufsports auf David Beckham", so eine Charakterisierung des norwegischen Rundfunks, soll in Nordamerika den Skilanglauf und dadurch ganz nebenbei natürlich auch das eigene Produkt populär machen.
Und auch die Familie will vom Ruhm des Sohns profitieren. Wer den Wurzeln des Stars ganz nahe sein will, kann über die offizielle Northug-Fansite auf seinem heimatlichen Hof ein Ferienhaus mieten. In den Schnäppchenpreis von 700 Euro pro Woche geht die Benutzung der Werkstatt ein, in der Vater Northug dem fünfjährigen Petter die Ski wachste, als der sich damals auf einer selbst gebauten Schanze als Skispringer versuchte. Als Jugendlicher testete er dann erst den Biathlon. Nicht überzeugende Schießresultate ließen ihn schließlich beim Langlauf landen. Und in sechs Wochen, so rechnet die ganze Nation schon fest, wird sich mit Northug an der Spitze in Kanada beweisen, dass das bei der letzten Spielen in Turin mit nur zwei Goldmedaillen weit abgeschlagene Norwegen doch das wahre Langlaufimperium ist.
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