Neuer "Schneewittchen"-Film: Frischer Papageienmist im Gesicht
Die böse Königin als Lachnummer: Tarsem Singhs Spielfilm "Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen".
Es beginnt als Leinwand gewordener Mädchentraum: Julia Roberts in einem Kleid von den Ausmaßen eines Familienzelts auf einem Thron von der Monumentalität einer Brunnenanlage.
Und das ist wie gesagt nur der Anfang. „Spieglein Spieglein“ ist ein Rausch in Brokat, Satin und Samt, von allen Farben und Formen, mit Spitzenmanschetten, Halskrausen und Schulterapplikationen, die an Exzentrik den eigentümlichsten Ecken exotischer Vogelparadiese abgeschaut scheinen. Die im Januar dieses Jahres verstorbene japanische Kostümbildnerin Eiko Ishioka hat mit diesen Entwürfen ein Testament ihrer kreativen Fantasie hinterlassen, das für sich stehen könnte.
Leider muss es das am Ende auch. Denn was als sinnlicher Traum beginnt, endet schließlich als eine Art Remake von „Shrek“, in dem nun reale Schauspieler versuchen, so lustig zu sein wie der Oger und seine Kumpanen.Bei den ersten Gags, etwa wenn Roberts als böse Königin die Namenswahl für „Schneewittchen“ schnippisch als reichlich prätentiös entlarvt, ist man noch versucht, amüsiert zu sein.
Sehr schnell aber wird man der immer nach demselben Muster gestrickten Pointen leid, die dem alten Märchenstoff durch Schockmomente der Modernität neues Leben einhauchen sollen. Dass das von Lily Collins (der Tochter von Phil) gespielte Schneewittchen am Ende die Rettung des Königreichs ganz emanzipiert selbst in die Hand nimmt – geschenkt.
Serie von Schönheitsbehandlungen
Dass der Prinz (Armie Hammer mit einer präzisen Dosis von Dumpfbackigkeit) dagegen mit dem Verweis auf einschlägige Tests bei „Fokusgruppen“ opponiert – ebenso. Die sieben Zwerge, die sich hier als Räubertruppe im Wald verbergen, funktionieren mit ihrer individualistischen Schlechtlaunigkeit noch am besten.
Richtig schal aber wird über die Dauer des Films die scheinbar so naheliegende Aktualisierungsidee, aus der bösen Königin und Stiefmutter eine Frau zu machen, die verzweifelt gegen das eigene Altern ankämpft. Die visuelle Ebene wartet zwar auch hier mit einigen Momenten von großem Einfallsreichtum auf.
In einer Sequenz lässt Roberts als Königin eine Serie von Schönheitsbehandlungen über sich ergehen, die unter anderem eine Maske aus frisch geschissenem Papageienmist und das Aufspritzen der Lippen durch Insektenstiche beinhaltet. Aber das Visuelle erweist sich als tiefgründiger als alles, was das Drehbuch vorsieht.
Als Figur ist diese Königin mit all ihren „typisch weiblichen“ Eigenschaften wie Eitelkeit, Verschwendungssucht und Manipulationsgier eine Lachnummer, viel zu lächerlich, um eine gute Gegenspielerin zu sein. Ohne sie aber sind das gute Schneewittchen und ihr öder Prinz nur noch zum Gähnen.
„Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen“. Regie: Tarsem Singh. Mit Julia Roberts, Lily Collins.
USA 2012, 106 Min.
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