Neuer SPD-Vize Klaus Wowereit: König ohne Land

In Dresden wurde Klaus Wowereit mit 89 Prozent zum SPD-Vize gewählt. In Berlin aber geht langsam das Licht aus.

Sieg in Dresden - und in Berlin? Bild: ap, Markus Schreiber

BERLIN taz | Er lachte und gab sich locker, als das überraschend gute Wahlergebnis vorlag. Klaus Wowereit ist seit dem Wochenende Vizechef der Bundes-SPD. Alles Lächeln aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Regierende Bürgermeister derzeit an der falschen Stelle siegt. Lieber ein paar Prozent weniger beim Bundesparteitag in Dresden und dafür eine funktionierende rot-rote Koalition in Berlin, so lautet der Tenor bei Sozialdemokraten.

Denn einen Tag vor dem Parteitag hatte Wowereit die größte Klatsche seit 2006 erleben müssen. Damals war er selbst erst im zweiten Wahlgang gewählt worden - nun mochten zwei Abgeordnete seine Kandidatin für die Spitze des Rechnungshofs nicht mit wählen. Der nominell erste Mann im Land ist gegenwärtig weniger Regierender als König ohne Land.

Bundespolitisch lässt es sich durchaus als Erfolg verkaufen, was Wowereit, zuvor ohne jedes SPD-Amt, am Wochenende beim Bundesparteitag in Dresden passiert ist. Noch Anfang Oktober hatten im Bundesvorstand nur knapp 61 Prozent seine Nominierung für die Parteispitze unterstützt - die drei anderen Stellvertreter-Bewerber bekamen jeweils 86 Prozent. Die Delegierten in Dresden aber sahen die Sache anders: Fast 90 Prozent stimmten für Wowereit, das zweitbeste Ergebnis aller Vizes.

Dieses Votum für den stärksten Exponenten von Rot-Rot werteten viele Beobachter als klares Signal für ein Öffnung zur Linkspartei. Auch deshalb, weil das einzig bessere Ergebnis an die nordrhein-westfälische Fraktionschefin Hannelore Kraft ging, die ab Mai 2010 gern mit Linkspartei und Grünen regieren will. In Wowereits Windschatten rückten beim Parteitag zwei weitere Berliner als Beisitzer neu in den Bundesvorstand: Björn Böhning, Wowereits Planungschef im Roten Rathaus und Sprecher der SPD-Linken, und die Bundestagsabgeordnete Eva Högl. Franziska Drohsel, ebenfalls nominiert, trat nicht an, ist aber über ihr Amt als Juso-Bundeschefin ohnehin im SPD-Vorstand.

Am Desaster zuhause, knapp 200 Kilometer von Dresden entfernt, konnten die Erfolge nichts ändern, als der Bundesparteitag am gestrigen Sonntag zu Ende ging. Umfragewerte im Keller, Ärger über das Durcheinander bei der Schweinegrippe-Impfung, abgefackelte Autos, das Gezerre um die sogenannte Schüler-Lotterie und der Ärger über das S-Bahn-Chaos.

Und dann auch noch die Abstimmungsniederlage am Donnerstag. Nur 74 von 76 Abgeordneten der rot-roten Koalition hatten im Abgeordnetenhaus für die Baustaatssekretärin Hella Dunger-Löper (SPD) als neue Präsidentin des Rechnungshofes gestimmt - nötig waren 75 Stimmen. Rot-Rot, jubelte die Opposition, habe keine Mehrheit mehr.

Bis Sonntag war immer noch unklar, wer sich dem Votum verweigert hatte. SPD und Linkspartei verweisen entschuldigend auf Probeabstimmungen, in denen zusammen 76 Jastimmen zusammenkamen. Einen Hinweis auf Abweichler habe es nicht gegeben.

Der Verdacht liegt also nahe, dass der Machtmensch Wowereit über aller Bundespolitik an Basisinstinkt verloren hat. Schon zuvor hatte er trotz aller Proteste an seinem Kunsthallen-Projekt festgehalten - und in der Fraktion eine klare Niederlage kassiert.

Wowereit selbst redet die Abstimmungsniederlage beim Rechnungshof klein. "Da haben zwei Abgeordnete in geheimer Abstimmung U-Boot gespielt", sagte er der taz. "Den beiden Abweichlern wird es nicht gelingen, die Koalition zu Fall zu bringen."

Und dass ihn viele Berliner Parteifreunde lieber stärker in der Landespolitik als auf Bundesebene sähen, sieht Klaus Wowereit ganz anders: Sein Posten in der SPD-Spitze nutze Berlin.

Der Stadt vielleicht schon, der Berliner SPD derzeit eher nicht.

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