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Neuer PremierministerÖkonom Bajnai soll Ungarn sanieren

Während die Rechtsopposition auf Neuwahlen beharrt, versuchen die regierenden Sozialdemokraten die Krise durch neue Gesichter und eine wirtschaftliche Rosskur zu bannen.

Neuer Premierminister Ungarns: der parteilose Gordon Bajnai. Bild: dpa

Ungarn hat einen neuen Ministerpräsidenten. Das Parlament setzte Dienstagnachmittag Ferenc Gyurcsány von der sozialdemokratischen MSZP als Regierungschef ab und ernannte umgehend den parteilosen Gordon Bajnai zu dessen Nachfolger. Das Manöver wurde mittels eines "konstruktiven Misstrauensvotums" durchgezogen, das Gyurcsány am 7. April eingebracht hatte. Bajnai hat die schwierige Aufgabe, gleichzeitig den nahezu bankrotten ungarischen Haushalt zu sanieren und die MSZP vor dem totalen Absturz zu retten. Der 41-jährige Wirtschaftsexperte berief ein frauenloses Expertenkabinett, das allerdings vor der Vereidigung nächste Woche noch die Anhörungen vor dem zuständigen Parlamentsausschuss absolvieren muss. Bis dahin bleibt Gyurcsánys Regierung, allerdings unter dem neuen Chef, im Amt.

Gyurcsány hatte auf dem MSZP-Parteitag am 21. März überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Dieser Schritt wurde als einziger Weg gesehen, Neuwahlen und damit ein Desaster für die Regierungspartei zu verhindern. Gyurcsánys moderates Sanierungspaket war im Parlament, wo seine Partei keine Mehrheit hat, durchgefallen. Ungarn war schon vor Ausbruch der weltweiten Krise in wirtschaftlichen Nöten. In den letzten Monaten hat sich die Talfahrt beschleunigt. Vor allem die Fremdwährungskredite, deren Bedienung durch den Verfall des Forint unerschwinglich geworden ist, bringen tausende Ungarn in Zahlungsnöte.

Für die kleinen Leute wird es nicht einfacher werden. Bajnai hat ein Programm angekündigt, das Gyurcsánys halbherzigen Sanierungsversuch dramatisch in den Schatten stellt. Er will das Land mit "Blut, Schweiß und Tränen" zurück auf den Wachstumspfad führen. Der Abbau staatlicher Subventionen und ein Lohnstopp im öffentlichen Dienst bei gleichzeitiger Streichung des 13. Monatsgehalts bilden das Grundgerüst. Auch die Rentner werden zur Kasse gebeten, das im europäischen Vergleich geringe Rentenalter stufenweise angehoben. Kinder- und Krankengeld werden gekürzt, staatliche Beihilfen für Wohnungskauf und Heizung schrittweise abgebaut. Nur die wirklich Bedürftigen sollen Anspruch auf staatliche Transferleistungen haben.

Eine derart radikale Rosskur war bisher politisch nicht durchsetzbar. Bajnai hat sich daher von den MSZP-Abgeordneten die schriftliche Zusicherung geben lassen, dass sie sein Programm im Parlament mittragen werden. Auch die kleine Liberale Partei SZDSZ, mit deren Chef János Kóka Bajnai eine lange Geschäftsbeziehung verbindet, ist im Boot. Bajnais Antrittsrede vor den Abgeordneten wurde als nüchtern und solide beurteilt. Anders als Gyurcsány, der als Person seit seiner "Lügenrede" vor drei Jahren zum Buhmann wurde, ist der neue Premier relativ unverbraucht. Die rechtsoppositionelle Fidesz, die seit Monaten alle Abstimmungen im Parlament boykottiert, stimmte zwar nicht mit, blieb aber im Plenarsaal. Sie beharrt auf Neuwahlen, die sie - laut Umfragen - derzeit mit Zweidrittelmehrheit gewinnen würde. Vor dem Parlament begrüßten rechte Demonstranten den neuen Mann mit: "Bajnai, hau ab!"

Bajnai kennt Gyurcsány seit der Studentenzeit und wurde wie er durch geschickte Finanztransaktionen in der Übergangszeit reich. Er wurde erst 2007 zunächst als Chef der Nationalen Entwicklungsagentur und dann letztes Jahr als Wirtschaftsminister in die Regierung geholt. Politische Ambitionen hat er nach eigenen Aussagen keine. Weder er noch seine Experten wollen nach den Wahlen 2010 bleiben.

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1 Kommentar

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  • G
    Gergely

    Als ungarischer taz-Leser wundere ich mich schon darüber, wie Sie Bajnai abfeiern. Der Mann ist kein "begnadeter Kommunikator", sondern einer, der das Licht der Öffentlichkeit scheut (zumindest wirkt er stets so), und durch Hinterzimmerabmachungen an die Macht gekommen ist. Als ehemaliger Wirtschaftsminister hat er ziemlich Mitschuld an dem Versagen der Regierung Gyurcsány. Sein Programm ist knallhart neoliberal, Kerngedanke ist die Umschichtung von Geld von den Bürgern zu den Unternehmen und von den Ärmeren zu den Reicheren. Dazu hat er eine Reihe von Finanzmagnaten in sein Kabinett berufen, darunter Péter Oszkó (Finanzminister), der als Vorstandschef von Deloitte einen Prozess von Großkonzernen gegen die Republik Ungarn geführt hat, sowie Tamás Vahl (Wirtschaftsminister), derzeitiger Vorsitzender der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer, der als Chef von SAP Ungarn mehrfach wegen Kartellvergehen verurteilt wurde (also nicht er, sondern das Unternehmen). Der Geheimdienstminister Ádám Ficsor ist politischer Ziehsohn des gescheiterten Gyurcsány und flockige 28 (!) Jahre alt. Mal schauen, wie er die alten Kader im Geheimdienst zähmt. Dazu kümmert sich Bajnai betont nicht um nicht geldwerte Dinge wie Kultur, Bildung oder Gesundheitswesen, nur um die Finanzen. Man muss sich das vom Gefühl her so vorstellen, wie wenn der Bundeskanzler Friedrich Merz und der Vizekanzler Guido Westerwelle heißen würde, garniert mit einer Reihe von Kartell- und Korruptionsverdächtigungen. Also, liebe taz-Autoren, bitte genau informieren oder nachfragen, und noch besser: Nicht nur Népszabadság lesen. Dabei ist uns allen klar, dass der Fidesz keine Alternative sein kann. Es gibt aber neuerdings auch eine politische Kraft in Ungarn, die besser zur taz -und zur Wirklichkeit- passt: www.lehetmas.hu - Grün rules!