Neuer Präsident in Nord-Zypern: Hoffnungsträger für die Insel
Mustafa Akinci steht für die Annäherung der verfeindeten Inselteile: „Wenn die Zeit für den Wandel gekommen ist, kann niemand ihn aufhalten."
BERLIN taz | Mit Schmutz kennt sich Mustafa Akinci aus – und mit Verständigung auch. Es ist über dreißig Jahre her, da wagte er, damals frisch gebackener Bürgermeister von Nord-Nikosia, eine Kooperation mit den vermeintlichen Feinden im Süden der Hauptstadt Zyperns. Es ging um Exkremente. Akinci und sein zyperngriechischer Gegenpart Lellos Demetriades widerstanden den Anfeindungen fanatischer Nationalisten auf beiden Seiten und machten praktische Politik über die „grüne Linie“ hinweg: Sie vereinbarten ein gemeinsames Abwasser-Entsorgungsprogramm. Und noch viel wichtiger: Sie demonstrierten damit, dass türkische und griechische Zyprer partnerschaftlich zusammenarbeiten können.
Seitdem hat sich der linksliberale Akinci als politische Größe in dem kleinen Land etabliert, das es offiziell gar nicht gibt. Die „Türkische Republik Nordzypern“, 1983 auf von der türkischen Armee besetztem Gebiet gegründet, wird einzig von Ankara anerkannt. Seit Sonntag ist der 57-Jährige Präsident dieser Gänsefüßchenrepublik, gewählt mit mehr als 60 Prozent der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Dervis Eroglu.
Bis 1990 blieb Akinci Bürgermeister, dann wurde ihm Nord-Nikosia zu eng. Von 1993 bis 2009 war er Mitglied des Parlaments und bemühte sich in wechselnden Parteien, für Verständigung zu werben. „Wir sollten nicht versuchen, eine perfekte Lösung zu finden. Wenn wir das tun, besteht die Gefahr, dass wir eine gute Lösung verpassen“, erklärte er. Damals war noch Rauf Denktasch in Nord-Zypern der Boss, dem jeder Kompromiss mit den Griechen ein Gräuel war, und die Opposition galt als notorisch zerstritten. Doch auch nach seinem Sturz blieb es bei der Teilung der Insel.
Jetzt, als Präsident, will Akinci die Gespräche wieder in Gang bringen. „Wenn die Zeit für den Wandel gekommen ist, kann niemand ihn aufhalten“, sagte er kurz nach der Wahl. Noch am Sonntagabend telefonierten Akinci und Zyperns griechischer Präsident Nikos Anastasiades miteinander und bekundeten ihren „Wunsch nach einer echten Wiedervereinigung“. Im Mai sollen die Friedensgespräche auf der Insel wieder aufgenommen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel