Neuer Polit-Talk im Dritten: Das erste Mal tat weh
Auch SWR-Reporter Thomas Leif hat jetzt seine eigene Talkshow: Das Konzept stimmt, die Gästeauswahl nicht. Dennoch hat "2+Leif"eine zweite Chance verdient.
Ach, wenn die Verfasser von Pressetexten doch den Mund etwas weniger voll nähmen! Sie täten dem Produkt, für das sie werben, einen Gefallen, denn allzu hochgesteckte Erwartungen können eigentlich nur enttäuscht werden. Aber für die neue halbstündige Talkshow "2+Leif" mit Moderator Thomas Leif, die künftig jeden Montag um 22.30 Uhr im SWR-Fernsehen laufen wird, haben die Autoren der Pressemappe ganz tief in die Schublade gegriffen, in der die großen Worte aufbewahrt werden: "Das Konzept: konfrontativ, aber konstruktiv, konzentriert und klärend." Auf eine "Auseinandersetzung mit Tiefgang" sollen sich die Zuschauer freuen dürfen, auf "größtmöglichen" Informationswert, auf einen "politischen Diskurs mit Tempo - unterhaltsam und erhellend". Also auf "ein neues Kapitel des politischen, kontroversen Gesprächs".
Und wer sind die ersten Gäste dieser eierlegenden Wollmilchsau? Der christdemokratische Fraktionsvorsitzende Volker Kauder und SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz. Was für ein zündender Einfall. Um "Hassliebe" in der großen Koalition soll es gehen, aber Scholz und Kauder strahlen weder Hass noch Liebe aus. Ein bisschen müde wirken beide und sehr, sehr routiniert. Wie das so ist, wenn man sich gut kennt und gemeinsam einer Arbeit nachgeht, die man schon oft erledigt hat.
Thomas Leif gibt sein Bestes, um die Gäste aus der Reserve zu locken, was von Volker Kauder anerkennend vermerkt wird - "Ich akzeptiere ja sehr, dass Sie als Journalist versuchen, etwas Pfeffer in die Sache zu bringen" - aber wenn sich zwei halt partout nicht streiten wollen, dann ist da wenig zu machen. "Wir sind uns wirklich nicht in allen Fragen einig", behauptet Olaf Scholz. Aber man könne gemeinsam regieren. Das hatten sich die Zuschauer vermutlich schon vorher gedacht.
Die Premiere der neuen Sendereihe war also ziemlich öd. Das muss jedoch nicht so bleiben. Thomas Leif kann nämlich pointierte Fragen stellen, und die Beschränkung auf nur zwei Gäste führt dazu, dass diese auch mal einen Gedanken zu Ende formulieren dürfen - wenn sie denn einen haben. Mit anderen Gesprächspartnern könnten bei dem Konzept tatsächlich interessante Sendungen herauskommen. Allerdings wohl nicht, wenn die Redaktion dabei bleibt, jeweils "das aktuelle Thema der Woche" (Pressetext) abhandeln zu wollen. Das tun schon genug andere, und alle jagen sich regelmäßig die ewig gleichen, möglichst hochrangigen Gäste ab.
Wenn die Erfinder der jüngsten Talkshow wirklich eine Auseinandersetzung mit Tiefgang produzieren wollen, dann sollten sie nicht zugleich auf die Tagesaktualität schielen. Es gibt genügend Themen, die niemals "das aktuelle Thema der Woche" sein werden, über die aber dennoch oder gerade deshalb klug gestritten werden kann. Übrigens gibt es auch kein Gesetz, das vorschreibt, Gäste müssten noch immer in Amt und Würden sein. Im Zeichen der Wirtschaftskrise wäre es doch zum Beispiel nett, mal wieder Norbert Blüm im Gespräch mit einem jener Spötter zu sehen, die ihn wegen seines Beharrens auf staatlichen Renten vor einigen Jahren so herzlich ausgelacht haben. Aktuell wäre das nicht. Aber vermutlich erhellend.
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