Neuer Masterplan des Stadtmuseums Berlin: Noch inklusiver und mit Turm

Weiter auf dem eingeschlagenen Weg – in Räumen, die unkonventionell gestaltet werden. Das ist die Devise des Masterplans 2025 des Stadtmuseums.

Ausstellungsraum mit Wand-Graffiti und Globus

Bunt und divers: Die Schau „Berlin Global“ des Stadtmuseums ist das schon auf den ersten Blick Foto: Oana Popa-Costea

Dass man in Berlin auf Überraschungen gefasst sein muss, wusste Paul Spies wahrscheinlich schon. Am Montag musste es der Direktor des Stadtmuseums Berlin wieder einmal erfahren: Kurz nach der Pressekonferenz im Humboldt Forum, auf der er den „Masterplan 2025“ der landeseigenen Stiftung vorgestellt hatte, führte er eine Gruppe durch die Ausstellung „Berlin Global“. Eine multimediale Schau, die Fragen an die Berliner Stadtgesellschaft, aber auch an die BesucherInnen stellt – wenn nicht plötzlich der Strom ausfiele und mit ihm die unzähligen Projektoren, die beweglichen Wände und die mit Sensoren bestückten interaktiven Armbänder.

Spies’ Stolz auf die umfangreiche und ziemlich unkonventionelle Ausstellung, die sein Team im nachgebauten Hohenzollernschloss errichten konnte, dürfte das nicht schmälern. Überhaupt, der Ort: Eine Ehre sei es für ihn, dass sein Blick nun aus dem Fenster einer Stadtmuseum-Dependance über die Linden-Sichtachse zum Brandenburger Tor schweifen dürfe, dass „ich hier sozusagen im Auge der Welt arbeiten darf“, wie er es in seinem charmanten Deutsch mit holländisch-österreichischen Anklängen ausdrückte.

Vor fünf Jahren war der damalige Leiter des überaus erfolgreichen Amsterdam Museums an die Spree berufen worden, um die Häuser des Stadtmuseums zu entstauben und wieder interessant für ein großes Publikum zu machen. Der nunmehr zweite Masterplan schreibt im Prinzip diese Neuausrichtung fort und präzisiert sie – außerdem stehen nach der Eröffnung von „Berlin Global“ Ende Juli weitere umfangreiche Veränderungen baulicher Natur bevor.

„Die Stadt in all ihrer Vielstimmigkeit“ solle im Zentrum des neuen Stadtmuseums Berlin stehen, heißt es in der Mitteilung zum Masterplan 2025, ihre „diversen Gruppen sollen einbezogen werden, um multiperspektivisch Geschichte(n) zu entdecken, erzählen und auf ganz unterschiedliche Weise erlebbar zu machen“.

Eine Jury entscheidet

Eines von vielen möglichen Beispielen dafür sind etwa die „Freiflächen“ in „Berlin Global“, die unterschiedliche Communitys im Wechsel und unter eigener Regie bestücken können. Wer das ist, entscheidet eine Jury. Den Anfang macht demnächst das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti & Roma. „Wir wollen nicht mehr nur top-down erzählen“, so Paul Spies, „gerade junge Leute wollen sich heute stärker beteiligen und ernst genommen werden. Denen müssen wir andere Angebote machen.“

Sechs Standorte zählt das Stadtmuseum Berlin seit Eröffnung von „Berlin Global“ im Humboldt Forum. Das sind außerdem das Märkische Museum am Köllnischen Park, das Ephraim-Palais, die Nikolaikirche und das Knoblauchhaus sowie das Museumsdorf Düppel. Das Marinehaus wird der siebte Standort sein.

Die Schau „Berliner Salon“ im Knoblauchhaus, die sich insbesondere den Humboldt-Brüdern und Schinkel widmet, konnte wegen Corona noch nicht eröffnet werden - das Bürgerhaus des 18. Jahrhunderts ist einfach zu eng.

Dafür wird es in einigen Jahren auch Räume geben, die genau danach – nach dialogorientierten, experimentellen Formaten – aussehen: Das heute baufällige „Marinehaus“ gegenüber dem Märkischen Museum wird vom dänischen Architekturbüro ADEPT mit einem neuen Innenleben versehen, das aus der Perspektive des offenen Erdgeschosses wie eine riesige Holztreppe von unten Große und kleine Würfeaussehen wird.

„2025/26“ lautet der zeitliche Horizont für die Eröffnung, dann als „Museums- und Kreativ-Quartier am Köllnischen Park“ zusammen mit dem Märkischen Museum, das 2023 für eine Generalüberholung schließen wird, aber auch danach die Berliner Geschichte chronologisch und anhand historischer Objekte nachzeichnen soll.

Um es mit Spies zu sagen: „Wir werden unsere treuen Bildungsbürger nicht vergessen. Auch Leute in meinem Alter und mit meinem Hintergrund werden bei uns immer ein Angebot bekommen“, so der 61-jährige Kunsthistoriker.

Während die Ausstellung „BerlinZEIT“ dann ins kleinere Ephraim-Palais ausgelagert wird, wird das 1908 eröffnete Märkische Museum – „ein magisches Gebäude“, findet Spies – denkmalgerecht saniert, von einigem Ballast späterer Jahre befreit und inklusiver gemacht: Das Landesdenkmalamt hat einen Durchbruch zum Innenhof genehmigt, über den künftige BesucherInnen einen barrierefreien Zugang zum Haus haben.

Auch ein neues zentrales Treppenhaus mit Fahrstühlen wird entstehen, und der bislang ungenutzte Turm spielt dann auch im übertragenen Sinn eine herausragende Rolle: als Aussichtspunkt und Raum für künstlerische Interventionen.

Wichtig war Spies und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bei ihrer Vorstellung des Masterplans der Hinweis auf die im Hintergrund ablaufende Digitalisierung der Sammlung – Lederer: „Auch das bedeutet mehr Teilhabe“ –, die Provenienzforschung, die schon zu elf Restitutionsverhandlungen geführt hat, und die Thematisierung der Rolle Berlins als Kolonialmetropole, die neu erforscht und bewertet werden soll. Daran beteiligten sich im Rahmen des Kooperationsprojekts „Dekoloniale – Erinnerungskultur in der Stadt“ die Vereine Berlin postkolonial, Each One Teach One und Initiative Schwarze Menschen in Deutschland.

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