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Neuer Grünen-Vorstand in Niedersachsen"Wir werden zulegen"

Mit der 45-jährigen Anja Piel und dem 29-jährigen Jan Haude hat der Landesverband einen unterschiedlichen Vorstand gewählt. Einig sind sich die beiden trotzdem.

Scheinen sich zu mögen: Jan Haude und Anja Piel, die neuen Vorsitzenden der niedersächsischen Grünen. Bild: dpa
Interview von Benjamin Laufer

taz: Herr Haude, erst 29 und schon Vize-Parteichef. Bringen Sie jetzt frischen Wind in den Landesverband?

Jan Haude: 29 sein heißt ja nicht, dass man gerade erst anfängt. Ich bin schon länger im politischen Geschäft. Wir haben im Landesverband schon fast die Tradition, dass wir eine erfahrenere und eine etwas jüngere Kraft im Vorstand haben. Ich denke, das ist eine ganz gute Kombination.

Wo sehen Sie den größten Veränderungsbedarf? Was wird anders mit Ihnen im Vorstand?

Haude: Wir sind jetzt gerade dabei, uns für den Kommunalwahlkampf aufzustellen. Wir werden uns inhaltlich weiter vorbereiten müssen, insbesondere auch mit der Perspektive auf die Landtagswahlen 2013. Ich möchte, dass wir noch ansprechender und attraktiver für neue Mitglieder werden, zum Beispiel über bessere Präsenz im Internet.

Frau Piel, mit Herrn Haude hat der Landesverband Ihnen einen Teil des Realo-Flügels an die Seite gesetzt. Freuen Sie sich auf die Zusammenarbeit?

Anja Piel: Wir pflegen hier eine ausgesprochen gute Zusammenarbeit, bei der flügelpolitische Ansätze bislang nur marginal eine Rolle gespielt haben. Beim Kommunalwahlkampf finde ich es auch ausgesprochen wichtig, die Graswurzel-Themen mit den realpolitischen Aussichten zusammen zu binden. Wir müssen jetzt bei den nächsten Programmen, die wir entwerfen, eine realpolitische Ausrichtung vornehmen, sodass wir unsere Wähler nicht dann erschüttern, wenn wir in Regierungsverantwortung kommen und zurück rudern müssen.

Im Interview: Anja Piel und Jan Haude

ANJA PIEL UND JAN HAUDE die 45-Jährige und der 29-Jährige sind seit dem 5. Februar die neue Doppelspitze für Niedersachsens Grüne. Piel war seit 2007 stellvertretende Vorsitzende der niedersächsischen Grünen, Haude seit 2007 Geschäftsführer des Grünen-Stadtverbandes Hannover.

Werden Sie also in der Opposition im Landtag jetzt schon mal einen Gang zurückschalten, um keine falschen Versprechungen zu machen?

Haude: Absolut nicht! Wir sind ja eine an Inhalten und Konzepten orientierte Partei und genau diese Arbeit werden wir auch fortsetzen. Es geht ja nicht darum, dass wir jetzt schon die Segel streichen. Aber es geht natürlich um unsere Glaubwürdigkeit. Die Menschen wählen und vertrauen uns, weil wir keine Wunder versprechen.

Herr Haude, sie waren lange in der Grünen Jugend aktiv. Die will in Niedersachsen den Kapitalismus abschaffen. Sind das neue Impulse, die sie in den Landesvorstand einbringen?

Haude: Ich finde es gut und absolut notwendig, dass man sich kritisch mit dem Kapitalismus auseinander setzt. Da können wir sehr produktive Diskussionen mit unserem Jugendverband führen, auch wenn ich nicht alle Meinungen 1:1 teile.

Piel: Das ist hier eine sehr befruchtende gegenseitige Zusammenarbeit. Wenn junge Leute in so einer politikmüden Gesellschaft Lust haben, sich mit Kapitalismus auseinanderzusetzen, begrüßen wir das auf alle Fälle.

Wer sich auch sehr kritisch mit dem Kapitalismus auseinander setzt ist die Linkspartei. Könnten Sie sich nach den nächsten Landtagswahlen eine rot-rot-grüne Koalition vorstellen?

Haude: Die Linke ist eine Partei, die mit ihrer Programmatik eher zurück will in einen alten Zustand. Wenn wir Grünen uns mit dem Kapitalismus auseinander setzen, tun wir das in einer progressiven Art und Weise. Wir haben ein völlig anderes Verhältnis zum Sozialismus oder auch Kommunismus. Natürlich sind wir auch gegenüber den Linken diskussionsoffen, aber ich finde, es ist der falsche Zeitpunkt, jetzt schon Konstellationen für 2013 zu entwickeln.

Auch wenn es noch ein bisschen früh ist: Die andere Alternative für eine grüne Regierungsbeteiligung Ihrer Partei ab 2013 lautet schwarz-grün. Würden Sie das mitmachen?

Haude: Was wir auf jeden Fall schon jetzt ausschließen können, ist das wir 2013 als Ergänzung zusammen mit FDP und CDU in die Landesregierung gehen. Wir stehen für einen absoluten Politikwechsel, sei es in der Atom- und Energiepolitik, sei es in der Bildungspolitik oder der Agrarpolitik.

Piel: Die Absage an schwarz-grün ist ja nicht von den Grünen gekommen! Die Laufzeitverlängerung war ganz klar eine Kampfansage. Da kann man nicht damit rechnen, dass wir 2013 mit McAllister ins Gespräch kommen, wenn sich da nichts ändert.

Erstmal sind Kommunalwahlen. Im Landkreis Göttingen teilen sich die Grünen die Regierungsverantwortung mit der CDU. Wählt also, wer kommunal grün wählt, letztendlich vielleicht doch schwarz?

Haude: Die Grünen sind vor allem eine basisdemokratische Partei, wir werden also von der Landesebene aus niemandem vorschreiben, mit wem sie zu koalieren haben. Kommunalpolitik ist allerdings wie kein anderes Politikfeld so abhängig von den Personenkonstellationen und den Themen vor Ort.

Sie wollen bei den Wahlen im Herbst ein zweistelliges Ergebnis erzielen. Wie wollen Sie das schaffen?

Piel: Wir haben auf dem Landesparteitag mit den kommunalpolitischen Leitlinien ein Grundgerüst verabschiedet. Darin ist ganz klar zu erkennen, dass wir für ein ganz anderes Demokratieverständnis stehen. Damit werden wir auch in diesem Kommunalwahlkampf wieder versuchen, zu punkten. Letztes Mal ist es uns gelungen, 216 Mandate dazu zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass wir wieder ähnlich viele Mandate dazu gewinnen werden.

Angenommen, sie schaffen es nicht, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, was könnten Sie falsch gemacht haben?

Piel: Die Kommunalverbände wollen den Klimaschutz weiter voran bringen. Ich weiß allerdings nicht so genau, wie sich das in den jeweiligen Koalitionen umsetzen lässt. Das ist ein Feld, in dem wir Überzeugungsarbeit leisten müssen. Ansonsten sehe ich uns sehr, sehr gut aufgestellt.

Haude: Ich sehe unsere Hauptherausforderung darin, genügend gute KandidatInnen zu finden, die nach der Wahl die politischen Mandate besetzen. Wir werden ordentlich zulegen, da müssen wir jetzt Interessierte ansprechen, ob sie für die Grünen kandidieren und Kommunalpolitik machen wollen.

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