Neuer Bürgermeister in Chemnitz : Dunkelrot-schwarzer Rübenrunkel

Der parteilose Jurist Miko Runkel wird Bürgermeister für Recht und Ordnung in Chemnitz - vorgeschlagen von der Linken, unterstützt von der CDU-Fraktion. Deshalb tobt jetzt die SPD.

Das Rathaus im Chemnitz: Der neue Bürgermeister für Recht und Ordnung verärgert die SPD. Bild: dpa

BERLIN taz Miko Runkel hat ganz schön viel Ärger verursacht. Ein Chemnitzer Gemeinderat ist aus der CDU-Fraktion ausgetreten, der Generalsekretär der sächsischen CDU musste rumdrucksen, und der Generalsekretär der SPD hat von einer "Nationalen Front" gesprochen, was bissig gemeint war, weil es auf die gemeinsame Vergangenheit von CDU und Linke anspielt, denn in der Nationalen Front hatte die DDR alle Parteien und Massenorganisationen zusammengeblockt, also auch CDU und SED.

Wenn man im Schmäh der SPD bleibt, dann ist es diese Woche in Chemnitz zu einer Art historischen Neuauflage der Zusammenarbeit zwischen Schwarzen und Dunkelroten gekommen, allerdings nicht erzwungen wie in der DDR, sondern sehr freiwillig: Mit Stimmen der zwei Fraktionen wurde der parteilose Miko Runkel, 47, zum Bürgermeister für Recht, Ordnung und Umwelt gewählt.

Geheimabsprachen habe es selbstverständlich nicht gegeben, behaupten Linke und CDU, aber andererseits ist das Geschäft ziemlich durchsichtig, weil die Linke ihrerseits zwei CDU-Bürgermeister abgenickt hat. Fragt man Miko Runkel, findet er gar nichts an der Kooperation. Er erzählt von seiner linken Orientierung, aber auch davon, dass er den CDU-Fraktionschef persönlich kennt, weil der ja schließlich der Schwager seines Zahnarztes ist.

Eigentlich würde Runkels Lebenslauf sich gut in Beschimpfungswahlkämpfen der CDU machen: Drei Jahre bei den DDR-Grenztruppen, Jurastudium und noch im September 1989 bei der Staatsanwaltschaft in Karl-Marx-Stadt angefangen. Den Lebenslauf wendet jetzt allerdings - verkehrte Welt - die SPD gegen ihn wie in der schönsten Rote-Socken-Kampagne: An der Spitze des Rechtsdezernats! So ein Mann!

Runkel nimmt es locker und erzählt, dass er Jura studiert hat in der DDR, weil Kungelgenossen seinen Medizinstudienplatz einem Arztsöhnchen zugeschanzt hätten. Zur Grenze habe er nicht gewollt, sein Vater habe sogar beim ZK angerufen deshalb, aber am Ende machte er es eben und kümmerte sich um Technikkram.

Runkel arbeitet seit 18 Jahren als Staatsanwalt und Richter. Zurzeit ist er Jugendrichter am Amtsgericht Freiberg und nebenher Karnevalspräsident. Seine E-Mail-Adresse beginnt mit "runkelrueben" - eine Verneigung vor dem Ritter Runkel von Rübenstein, der mit den Digedags zu DDR-Zeiten durch die Comichefte zog. Der künftige Bürgermeister kann über weggeworfene Kaugummis schimpfen, über kleinliche Ordnungshüter und dann wieder über Hundescheiße auf Spielplätzen. So sehr um historische Koalitionspolitik geht es in Chemnitz am Ende wohl doch nicht.

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