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Neuer Beruf Social Media ManagerWas Nestlé vom Orang-Utan lernte

Mit Social Media Managern versuchen Unternehmen Shitstorms abzuwehren – und die Reichweite sozialer Netzwerke zu nutzen. Doch so richtig souverän sind sie noch nicht.

Ähnlich präzise ist oft noch der Umgang von Unternehmen mit Social Media. Und da kommt dann der Social Media Manager ins Spiel. Bild: Yunioshi / photocase.com

HAMBURG taz | März 2010: Ein dramatisches Video, ein gut platzierter Link auf Facebook – und nur wenige Stunden später erhebt sich der Proteststurm. Greenpeace wirft Nestlé vor, für seine KitKat-Riegel Palmöl von einem Hersteller zu beziehen, der den indonesischen Regenwald abholzt und somit eines der letzten Rückzugsgebiete bedrohter Orang-Utans zerstört.

Die Aktion hat Erfolg. Das Video verbreitet sich explosionsartig. Mehr als 1,6 Millionen Mal wird es angeklickt, Nutzer twittern, teilen, kommentieren und bombardieren Nestlé mit Fragen und Beschimpfungen. Greenpeace befeuert die Debatte, ruft zu Twitter-Aktionen auf und schickt ein weiteres Video nach.

„Natürlich haben wir das Video gezielt über Facebook verbreitet“, sagt Beate Steffens heute. Steffens ist Community Managerin bei Greenpeace. Auch sie war überrascht, wie schnell sich das Video verbreitete: „damit hatten wir nicht gerechnet“.

Nestlé hingegen ist 2010 überfordert. Der Konzern veröffentlicht eine einzige Pressemitteilung, von Dialogbereitschaft keine Spur. Er schottet sich ab, löscht die KitKat-Fanpage, lässt das Video auf dem englischen Youtube-Kanal verbieten – und zieht so nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich. Letzten Endes lenkt das Unternehmen ein und kündigt die Verträge mit dem Regenwald rodenden Palmölproduzenten. Trotzdem gilt Nestlés Verhalten seit jeher als Paradebeispiel dafür, wie man die Webgemeinde wütend macht. „Die Aktion hat ihnen vor Augen geführt, dass sie überhaupt keine Ahnung davon hatten, wie Social Media funktioniert“, sagt Steffens.

„Wir gehen da offen mit um“

Doch der Schweizer Konzern hat gelernt – mithilfe von Experten. Als Reaktion auf den Shitstorm stellte das Unternehmen eine Social Media Managerin ein und schulte seine Mitarbeiter. „Es war eine logische Konsequenz aus dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben“, erklärt Nestlés Social Media Managerin Stefanie Babka. Der Dialog stehe mittlerweile im Vordergrund. „Es gibt ja oft Diskussionen zu unseren Produkten“, beschreibt es Babka, „aber wir gehen da ganz offen mit um“. Nur, wenn man die Möglichkeit für einen Dialog schaffe, könne man auch die eigene Position deutlich machen.

Die Strategie funktioniert. Von Shitstorms ist auf Nestlé-Fanpages keine Spur. Stattdessen schwärmen Kunden von Gewinnspielen und Testpaketen, posten Fotos von sich und Nestlé-Produkten, kritische Posts finden sich selten. Und: Auf jeden Post wird reagiert. Eine schöne, heile Facebook-Welt, in der Mitarbeiter mit ihrem Vornamen unterschreiben und die Kunden dem Unternehmen ein schönes Wochenende wünschen. Vergessen scheint der Proteststurm von 2010. Selbst Beate Steffens bestätigt: „Nestlé hat aus der Erfahrung gelernt.“ Und die richtigen Leute eingestellt.

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Social Media Experten sind nicht nur bei Nestlé gefragt. Rund achtzig Prozent der deutschen Unternehmen bewegen sich mittlerweile in sozialen Netzwerken – den richtigen Ton treffen sie nicht immer. Tweets wirken steif und Videos albern, meist wird Facebook für einfache Werbezwecke genutzt.

Laut einer im Mai erschienen McKinsey-Studie sind fast drei Viertel der in sozialen Netzwerken vertretenen Unternehmen jedoch unzufrieden mit ihrem Auftritt. Die Nachfrage nach Social Media Managern ist daher groß. Nicht nur, um sich anbahnende Stürme abzuwehren, sondern auch, weil Unternehmen die Reichweite der sozialen Netzwerke für sich nutzen wollen. Sie sehen in den sozialen Netzwerken vor allem zwei Dinge: potentielle Kunden – und potentielle Kaufkraft.

„Geschichten erzählen und Loyalität erzeugen“

„Momentan bewegen sich Unternehmen in Social Media, weil sie glauben, sie könnten so den Absatz steigern“, sagt Valentina Kerst, Präsidentin der Software-Initiative Deutschland (SID). Dabei könnten die sozialen Netzwerke auch dafür genutzt werden, Kunden über Produkte und Aktionen zu informieren, mit ihnen in den Dialog zu treten, und sie so enger an sich zu binden. Kundenbindung 2.0.

An der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg bildet Kerst zukünftige Social Media Manager aus. Dass immer mehr Unternehmen professionelle Social Media Experten einstellten, sieht sie als Zeichen dafür, dass sie die im Netz gebotenen Möglichkeiten ernst nähmen. Aber: „Bis Unternehmen sich tatsächlich auf ihre Kunden einlassen, ist es wahrscheinlich noch ein weiter Weg.“

Glaubt man André Lapehn, Geschäftsführer der Social Media Agentur Wirjetzthier, würden Unternehmen den Sinn von Kommunikation in den sozialen Netzwerken nicht verstehen – „viele denken nur an den Verkauf“. Dabei, so Lapehn, könne man über Social Media „Geschichten aus dem Unternehmen zu erzählen, Mitarbeiter vorstellen und sogar Loyalität erzeugen“.

Und das gilt nicht nur für Unternehmen. Denn auch wenn Greenpeace kein Produkt verkauft – Unterstützer und Fans benötigt die Organisation trotzdem, für Aktivität, Engagement und finanzielle Unterstützung müssen auch sie werben. Laut Beate Steffens wird Social Media daher auch bei Greenpeace sehr ernst genommen, nicht zuletzt wegen der erfolgreichen Nestlé-Kampagne.

Wo bewegen sich die jungen Leute?

Dass Greenpeace den meisten Unternehmen in den sozialen Netzwerken weit voraus ist, beweist nicht nur das Video von 2010, das im Nachhinein für den Viral Video Award erhielt. Bereits 2007 entwickelte die NGO eine umfassende Social Media Strategie. „Wir haben uns damals gefragt: Wo bewegen sich die jungen Leute, wie erreichen wir sie“, sagt Beate Steffens. Seitdem waltet sie über die Facebook-, Twitter- und Youtube-Präsenz von Greenpeace. „Der direkte Dialog mit unseren Unterstützern ist viel intensiver geworden“, sagt sie. Das rege den Austausch an. „Die Leute wollen, dass auf Fragen geantwortet wird, auch auf kritische.“

Letzten Endes – wenn auch Greenpeace und Nestlé nicht zu vergleichen sind – ähneln sich die Aufgaben Beate Steffens und Stefanie Babkas in vielen Hinsichten. Und indirekt werden sie auch weiterhin miteinander zu tun haben: Denn „natürlich“ schaue Beate Steffens „immer mal wieder“ auf Nestlés Social Media Aktionen. Und auch Stefanie Babka wird nicht umhinkommen, auf das zu achten, was auf der Greenpeace-Fanpage passiert.

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1 Kommentar

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  • V
    vic

    Ich kaufe nichts von Nestlé. Der Konzern kann Kreide fressen und sich grün anmalen, er bleibt doch Nestlé.