Neuer Basketball-Krösus: Ach je, schon wieder die Bayern!
Bayern München kauft die besten Spieler der Liga und sorgt auch in Europa für Furore. In der Liga und beim nächsten Gegner Alba Berlin ist man frustriert.
BERLIN taz | Heiko Schaffartzik bevorzugt grundsätzlich eher das Reizklima. Die Anfeindungen, denen sein neuer Klub, der FC Bayern München, meist ausgesetzt ist, lassen den Basketballprofi regelrecht aufblühen. Er sagt: „Alle wollen uns schlagen. Ich mag das. Mir gefällt es, wenn man gegen alle spielt, und die Mitspieler, die Trainer und die Betreuer die Einzigen sind, die einen unterstützen.“
Vor seiner Rückkehr zu seinem alten Klub Alba Berlin, gegen den die Münchner am Sonntag antreten, versucht der 29-jährige deutsche Nationalspieler indes die offenkundig zu überreizte Atmosphäre zu beruhigen. Vergleiche zwischen dem FC Bayern und seinem Exverein lehnt er kategorisch ab.
Die Erfolge der letzten Wochen könnte den Spielern des Tabellenführers durchaus eine breite Brust verleihen. Doch die Münchner bemühen sich kollektiv um leise Töne. Das Wohlwollen, das dem Verein als Antriebsmotor der Basketball-Bundesliga (BBL) zumindest auf Funktionärsebene entgegengebracht wurde, ist kräftig am Schwinden.
Ein Sturm der Entrüstung erhob sich vor gut einem halben Jahr im Umfeld des einstigen Branchenprimus Alba, als die Münchner neben Schaffartzik noch drei weitere Berliner Spieler (Yassin Idbihi, Deon Thompson und Nihad Djedovic) unter Vertrag nahmen. „Seit der Kader der Bayern steht, bin ich 6.726-mal darauf angesprochen worden, wie das so ist, dass uns die Bayern die Spieler wegnehmen“, erklärte Marco Baldi diese Woche.
Natürlich sorgte auch der Alba-Geschäftsführer selbst ein wenig für Wind, indem er das Einkaufsgebaren der Münchner als „nicht besonders einfallsreich“ bezeichnete. Wolfgang Heyder, der Manager des deutschen Meisters Bamberg jammerte unterdessen, dass man sich um etliche Zugänge des FC Bayern ebenfalls vergeblich bemüht hätte. Die finanzmächtigen Bayern werden längst nicht mehr nur als Entwicklungshelfer für die Liga gewürdigt.
Mit europäischem Format
Derweil beeindrucken die Münchner, die erstmals dank Wildcard europäisch auf dem höchsten Level spielen, auch die internationale Konkurrenz. In der Euroleague hätte man jüngst um ein Haar bei Olympiakos Piräus gewonnen, dem besten europäischen Team der letzten beiden Jahre. Der FC Bayern, der erst sein drittes Bundesligajahr bestreitet, befindet sich in erstaunlicher Frühform. Zumal Trainer Svetislav Pešić neben den vier Berlinern noch weitere vier Zugänge in sein neues Team einbauen muss – darunter den Center John Bryant, der vergangene Saison zum besten Spieler der BBL gewählt wurde.
Heiko Schaffartzik warnt aber vor allzu voreiligen Schlüssen: „Bei allem Erfolg muss man demütig bleiben. Wir haben erst Anfang November. Es klappt bei Weitem noch nicht alles. Wir müssen noch viel arbeiten, um dahin zu kommen, wohin wir wollen.“ Angestrebt werden auf nationaler Ebene die Meisterschaft und der Pokalsieg. Mit viel Geld und entsprechend guten Spielern, so Schaffartzik, sei aber noch längst kein Erfolg garantiert. Dafür gebe es genug Gegenbeispiele.
Dass der FC Bayern mittlerweile das Potenzial hat, in der Liga eine Klasse für sich zu stellen, offenbaren aber auch Schaffartziks Beweggründe für den Wechsel vom Pokalsieger Alba zum Ligakrösus: „Mich hat die große Konkurrenzsituation bei den Bayern gereizt. Da musst du immer hundert Prozent geben.“ Ein weiteres Pfund mit dem der Verein wuchern kann, ist das Charisma des 64-jährigen Coach Svetislav Pešić, der im europäischen Basketball so viele Titel gewonnen hat wie kaum ein anderer. Auch Schaffartzik hebt hervor: „Es war eine günstige Konstellation unter Svetislav Pešić spielen und trainieren zu können.“
Für Baldi ist der FC Bayern schon längst in andere Sphären enteilt. Vor der letzten Saison prognostizierte er bereits: „Bayern wird das Maß aller Dinge sein.“ Später musste er erfahren, wie sehr die Münchner umgekehrt den Kader der Berliner wertgeschätzt hatten. Im Unterschied zu den berlinisierten Bayern steht am Sonntag bei Alba mit Sven Schultze nur noch ein Profi aus der Vorsaison im Kader. Eine kuriose Konstellation. So etwas, räumt Schaffartzik ein, habe er noch nicht erlebt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs