Neuer Ärztekammerchef Montgomery: Angstgegner der Politiker
Der Radiologe Frank Ulrich Montgomery ist der neue Chef der Ärztekammer – und will noch mehr Einfluss auf die Politik nehmen als zuvor.
BERLIN taz | Zwölf Jahre hat er warten müssen. So lange ist es her, dass Frank Ulrich Montgomery das erste Mal Präsident der mächtigen Bundesärztekammer werden wollte. Damals unterlag der eloquente Radiologe dem jetzt abtretenden Jörg-Dietrich Hoppe. Am Donnerstag nun ging der Traum des 59-Jährigen in Erfüllung: Montgomery wird die mehr als 400.000 Mediziner im Land in den nächsten vier Jahren vertreten. Für Politiker und Kassen bedeutet das: Der Wind wird noch rauer werden.
Der bisherige Vizepräsident der Bundesärztekammer versteht es wie kaum ein anderer, die Öffentlichkeit für seine Ziele einzunehmen. Montgomery ist seit fast drei Jahrzehnten ein eloquenter Vertreter der Medizinerinteressen. Auch deshalb setzte er sich bei der Abstimmung auf dem Deutschen Ärztetag in Kiel deutlich gegen vier Mitbewerber durch.
Von 1989 bis 2007 leitete er den Marburger Bund, die Gewerkschaft der Krankenhausärzte. In dieser Zeit baute der Hamburger den Bund aus zum mächtigen Verhandlungspartner der Krankenkassen - stets begleitet von großem Rummel: 2003 zog er wegen der miserablen Arbeitsbedingungen von Klinikmedizinern vor den Europäischen Gerichtshof - und gewann. Als "Sklavenaufstand" bezeichnete er drei Jahre später einen monatelangen Streik der Klinikärzte - und erkämpfte für sie einen eigenen Tarifvertrag.
Nun will der Sohn einer deutschen Hausärztin und eines britischen Offiziers noch mehr Einfluss auf die Politik nehmen. Die Bundesärztekammer ist dafür das perfekte Instrument. Wenn diese droht, in Wartezimmern Pamphlete gegen die neueste Gesundheitsreform aufzuhängen, hat sich noch jeder Gesundheitsminister verhandlungsbereit gezeigt.
Auch in seinem neuen Job geht es vor allem um zwei Dinge: bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld für Mediziner. Trotz der milliardenschweren Honoraraufstockungen der vergangenen zwei Jahre droht Montgomery damit, dass künftig zu wenig Ärzte hierzulande Dienst tun. Deshalb lassen sich seine Worte vom Wahltag auch als Drohung verstehen: "Wir müssen unsere Präsenz im politischen Raum stärken."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“