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Neue „rechte Mitte“ ohne Berührungsängste

Im Bundesvorstand von Manfred Brunners „Bund Freier Bürger“ tummeln sich rechtsextreme Autoren / Enge Zusammenarbeit der Partei mit dem österreichischen FPÖ-Chef Jörg Haider  ■ Von B. Siegler und A. Maegerle

„Wir sind eine Partei der rechten Mitte“, betont Manfred Brunner, Chef des im Januar gegründeten „Bundes Freier Bürger“ (BFB), bei jeder Gelegenheit und warnt vor rechten „Rattenfängern“. Er wolle verhindern, daß „Millionen von Wählern in die Arme der Rechtsradikalen getrieben“ würden. Doch hinter den Kulissen sieht es ganz anders aus. Im BFB-Bundesvorstand sitzen Autoren rechtsextremer Publikationen und Gründer anderer rechter Splittergruppen. Einschlägig bekannte Rechtsextremisten werden zur BFB-Bundesversammlung geladen, und Brunner selbst pflegt die Zusammenarbeit mit dem populären Chef der „Freiheitlichen Partei Österreichs“, Jörg Haider. Zunächst hatte Manfred Brunner, einst bayerischer FDP- Chef und Kabinettschef des EU- Kommissars Martin Bangemann, seine Hoffnungen auf ein Zusammengehen mit der CSU gesetzt. Die Europa-Skeptiker mit Ministerpräsident Edmund Stoiber an der Spitze waren des Lobes voll über den einstigen FDPler und boten ihm einen Platz in der Europakommission der CSU an. Doch die CSU-Strategie, die Brunner-Partei durch Umarmung zu neutralisieren, war zu durchsichtig. „Das Thema ist für mich erledigt“, brach Brunner die Kontakte ab.

Jörg Haider als Wahlkampfmatador

Nachdem auch Rep-Chef Franz Schönhuber, der genauso wie Brunner ein „Europa der Vaterländer“ fordert und sich als DM- Partei profilieren will, „nicht die mindeste Tendenz“ zeigte, auf Brunner zuzugehen, wurde der Ex-FDPler im Nachbarland Österreich fündig. Brunner vereinbarte mit dem Rechtsaußen-Politiker Jörg Haider, den er für einen „Reformer von großem Format“ hält, daß der FPÖ-Chef im Europawahlkampf „in jedem Bundesland“ einmal für die Brunner-Partei auftreten wird.

Seit Jahren schon pflegt Brunner mit Haider gute Kontakte. Schon im September 1992 traf er sehr zum Verdruß der Bonner FDP-Spitze mit Haider bei einer FDP-Veranstaltung in Bad Cannstadt zusammen. Im Publikum saßen nicht nur FDP-Anhänger, sondern auch Rechtsextremisten wie der Rep-Vize Rolf Schlierer aus Stuttgart, der langjährige Führer der militanten „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), Martin Pape, und die Chefs der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DL), Jürgen Schützinger und Harald Neubauer.

Brunners politische Ansichten kommen bei den Rechtsextremisten an. In seinem „10-Punkte- Programm für eine moderne Europapolitik“ fordert er, die EU müsse auf dem „Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker“ beruhen. Die „Erneuerung der Politik in Deutschland“ hat sich der BFB zum Ziel gesetzt, so daß die Menschen wieder „nachts ohne Angst durch die Straßen gehen“ könnten. Deutschland solle den „subjektiven Rechtsanspruch auf Asyl“ aufgeben. Man benötige zudem eine Ausländerpolitik, „die die Integrationskraft der Gesellschaft“ nicht überfordere.

In der FPÖ-nahen Postille Aula wird Brunner dafür als „Kämpfer gegen Maastricht“ gefeiert. Der Herausgeber der rechtsextremen Strategiezeitschrift Europa vorn, Manfred Rouhs, will die Brunner- Partei zu einer „authentischen Rechtspartei“ entwickeln. Brunners Partei habe gute Chancen, die Reps „wahlpolitisch zu deklassieren und den Altparteien ein paar Prozentpunkte abzujagen“, freut sich Rouhs, Kölner Ratsherr der rechtsextremen DL.

Soviel Lob gebührt Anerkennung, dachten sich die BFB-Aktivisten und luden Rouhs zu ihrer Bundesversammlung Mitte Februar ein. Als zukünftiges Mitglied kommt Rouhs zwar für den BFB als DL-Mitglied nicht in Frage, aber für andere, deren Mitgliedschaft in rechtsextremen Splittergruppen eine Zeitlang zurückliegt, ist der BFB laut Vorstandsbeschluß durchaus offen.

Brunner will mit einer Mannschaft antreten, für die „die Lösung von Sachfragen und nicht Ideologien obenan“ stünden. Doch die Riege der selbsternannten Politik-Erneuerer ist ideologisch erheblich vorbelastet. So sitzt mit dem Verleger Bruno Bandulet aus Bad Kissingen, dem ehemaligen Referenten für Ost- und Vertriebenenpolitik der CSU-Landesleitung, ein langjähriger Autor der rechtsextremen Zeitung Criticon als Beisitzer im fünfköpfigen BFB- Präsidium. Criticon wird von Freiherr Caspar von Schrenck-Notzing herausgegeben. Dort fechten rechtskonservative und rechtsextreme Autoren ihre Theoriedebatten aus. Unter seinem Kürzel Critilo hatte Schrenck-Notzing Brunner als einen „der wenigen klaren Köpfe im Lande“ gelobt. Nationalliberale Avancen hatte der rechte Freiherr schon lange. Als der FDP- Abweichler Siegfried Zoglmann 1971 die innerparteiliche Oppositionsgruppe „National-Liberale Aktion“ zur „Deutschen Union“ formierte, war Schrenck-Notzing mit dabei. Seine Ehefrau, Regina Freifrau von Schrenck-Notzing, verantwortlich für den Anzeigenapparat von Criticon, ist heute Beisitzerin im Bundesvorstand des BFB. Weiterhin im Vorstand der Partei: der Criticon-Autor Gunnar Sohn, von 1987 bis 1989 Berliner Landesvorsitzender der Jungen Union, und Wolf von Zworowski aus Kassel, der erst im letzten Jahr die ultrarechte „Deutsche Partei“ 32 Jahre nach ihrem Ableben wiederbelebt hatte.

Eine Stufe höher wirken die Professoren Starbatty aus Tübingen und Schachtschneider aus Nürnberg. Sie sind stellvertretende Bundesvorsitzende des BFB. Joachim Starbatty, Ordinarius für Volkswirtschaftslehre, trat bei der 1. Hochschulwoche des Studienzentrums Weikersheim unter dem Motto „Deutschland und Europa auf der Suche nach neuer Gestalt“ im September 1992 Seite an Seite mit den rechtsextremen Professoren Karl Steinbuch und Klaus Hornung auf. In Weikersheim wird mit Steuermitteln der Dialog zwischen Konservativen und Rechtsextremisten wie beispielsweise Wolfgang Strauß und Hans-Dietrich Sander großzügig gefördert.

Lehrauftragsvergabe unter Parteispezln

Albrecht Schachtschneider ist Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Schachtschneider, für den aus staatsrechtlicher Sicht „der Ausländer kein Bürger“ ist und der Elitedenken mit „der Verteidigung von Freiheit und Recht“ kombiniert, tat auch gleich etwas für das Renommee seines Parteichefs.

Er verschaffte Brunner einen Lehrauftrag an der WiSo für ein 14tätiges Kolloquium zum Thema Europarecht. „Wir sind immer bemüht, Kenner aus der Praxis in unseren Lehrbetrieb zu integrieren.“ Die Brunner-Haider-Verbindung stört Schachtschneider nicht: „Jeder darf Freunde haben, die er will.“ Außerdem saß Schachtschneider Ende Februar neben Jörg Haider auf dem Podium im überfüllten Festsaal im Wiener Palais Auersperg.

Und Manfred Brunner selbst? Der ließ sich nicht nur bereitwillig von Alexander von Schrenck-Notzing, Sohn von Caspar und Regina und einst Chef des Rep-Hochschulverbands, jetzt CSU- Mitglied, für die rechtsextreme Wochenpostille Junge Freiheit interviewen. Brunner trat auch auf einer „Deutschlandpolitischen Arbeitstagung“ der stramm rechten „Deutschen Burschenschaft“ in Jena auf und referierte im Herbst 1993 auf der 2. Weikersheimer Hochschulwoche über die „geistigen Grundlagen Europas“.

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