Neue Unesco-Chefin: Audrey Azoulay siegt knapp
Die ehemalige französische Kulturministerin setzt sich knapp gegen den Katarer Al-Kawari durch. Sie sieht die Unesco in einer tiefen politischen Krise.
Azoulay war von Februar 2016 bis Mai 2017 Ministerin für Kultur und Kommunikation unter dem damaligen sozialistischen Präsidenten François Hollande. Davor beriet die Französin mit jüdisch-marokkanischen Wurzeln Hollande in Fragen der Kultur.
Azoulays katarischer Rivale al-Kawari hatte lange Zeit in Führung gelegen. Doch gelang es dem 69-jährigen ehemaligen Kulturminister nicht, die Unterstützung anderer Golfstaaten für sich zu gewinnen, die unter Leitung Saudi-Arabiens ihre Beziehungen zu dem Emirat eingefroren hatten. Zudem machten ihm Vorwürfe des Antisemitismus zu schaffen.
Auf die designierte Unesco-Generaldirektorin Azoulay warten schwierige Aufgaben. So muss sie die tiefe Spaltung der UN-Organisation kitten, die nach den angekündigten Austritten der USA und Israels zu Tage getreten waren. Beide Länder hatten ihren Austritt damit begründet, dass die Unesco in zunehmendem Maße anti-israelische Positionen vertrete.
Die US-Zahlungen an die Organisation sind bereits seit 2011 eingefroren. Die Regierung des damaligen Präsidenten Barack Obama protestierte damit gegen die Aufnahme Palästinas als Unesco-Vollmitglied. Nach mehreren Resolutionen zum palästinensischen Kulturerbe hatte auch Israel seine Beitragszahlungen verringert.
Die Bundesregierung bezeichnete die Ankündigungen aus Washington und Jerusalem vom Donnerstag als „falsches Signal“. Zugleich aber kritisierte sie die „Politisierung“ der Arbeit der Unesco durch einige Mitglieder. Regierungssprecher Steffen Seibert forderte noch vor der Stichwahl am Freitag eine Neuausrichtung der Organisation. Die neue Generaldirektorin müsse die Reform vorantreiben und dafür sorgen, dass der „Missbrauch der Organisation aus rein politischen Zwecken“ verhindert werde, sagte er.
Azoulays jüdische Wurzeln und ihr marokkanisches Erbe könnten ihr helfen, die Gräben in der Unesco zu überwinden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte ihre Wahl: „Glückwunsch an Audrey Azoulay! Frankreich wird sich weiterhin für die Wissenschaft, Bildung und Kultur weltweit einsetzen“, erklärte er auf Twitter. Azoulay selbst hatte der Unesco am Nachmittag bescheinigt, in einer „tiefen politischen Krise“ zu stecken. Ziel ihrer Kandidatur sei, „Effizienz und Glaubwürdigkeit“ wiederherzustellen.
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