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Neue UmfrageKeine Scheu mehr vor Privatschulen

Sechzig Prozent der Deutschen sind für mehr Wettbewerb unter den Schulen, ein Drittel kann sich vorstellen, sein Kind auf eine private Schule zu schicken. Damit festigt sich ein Trend.

Die Schwämme sind feuchter in der Privatschule. Bild: photocase

BERLIN taz | Die Scheu der Deutschen vor der Privatschule lässt nach. Eine neue repräsentative Umfrage zeigt, dass ein Drittel der Befragten grundsätzlich "für Kinder eher eine private Schule vorziehen". Bei Akademikern sind die staatliche und die private Schule mit jeweils rund 45 Prozent sogar gleich beliebt. Das Münchener Institut für Marktforschung erhob die Daten im Juni in einer repräsentativen Umfrage. Sie liegt der taz vor.

Die Befragung reiht sich nahtlos in jüngere repräsentative Studien ein. Forsa fand im Mai heraus, dass 54 Prozent der Eltern eine Privatschule wählen würden – "wenn ich es mir leisten könnte". Und laut einer Studie im Auftrag des Spiegel wären 80 Prozent der Deutschen bereit, "Schulgebühren zu bezahlen, wenn ihr Kind dadurch besseren Unterricht und bessere Lehrer hätte". Bislang besuchen nur acht Prozent der deutschen Schüler eine freie Einrichtung.

Die neue Studie soll im Umfeld des Jahreskongresses des Verbandes der Privatschulverbände offiziell vorgestellt werden, der am Donnerstag in Düsseldorf stattfindet. Bei diesem Verband ist ein Zehntel der allgemeinbildenden Freien Schulen organisiert.

Allerdings geben die Deutschen in ihren Antworten auf die Umfragen auch Rätsel auf: Einerseits sind sie eindeutig "für mehr Wettbewerb unter den Schulen", um deren Qualität zu verbessern. Rund 60 Prozent sind dieser Ansicht. Andererseits können die Interviewten mit "Bildungsgutscheinen" wenig anfangen – obwohl diese die Möglichkeit gäben, frei zwischen staatlichen und privaten Schulen zu wählen. Nur 38 Prozent begrüßen solche Gutscheine, 48 Prozent lehnen sie ab.

Diese Diskrepanz könnte damit zusammenhängen, dass die neue Bundesregierung ankündigte, nur einen einzigen 150-Euro-Bildungsgutschein aushändigen zu wollen – nämlich bei der Geburt eines Kindes. Und nicht, wie von verschiedener Seite gefordert, für jedes schulpflichtige Kind einen Gutschein pro Monat.

Die Frage nach der Privatschule hat wegen der schlechten Ergebnisse bei der internationalen Schulvergleichsstudie Pisa an Bedeutung gewonnen. Es wird allgemein von einem Boom an Privatschulen gesprochen, dessen Ausmaß allerdings wegen der unterschiedlichen Zählweisen von Statistischem Bundesamt und den Privatschullobbys umstritten ist.

Gesicherte Zahlen brachte im September das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) heraus. Die Berliner Forscher berufen sich auf eine Dauerbefragung von Haushalten nach ihrem tatsächlichem Verhalten – und nicht ihren Meinungen. Danach gibt es einen großen Zuwachs an Privatschülern in den vergangenen zehn Jahren eigentlich nur in einer Gruppe: bei den Deutschen mit Abitur. "Insgesamt hat der Anteil von Privatschülern an allen Schülern, deren Eltern ein Abitur haben, um 77 Prozent zugenommen", fand das DIW heraus. Er liegt freilich auch bei ihnen weiter bei lediglich 12,4 Prozent.

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15 Kommentare

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  • S
    Sandra

    Ein Trend für noch mehr soziale Entmischung...

    Aber wen wunderts, wenn die Politik die Schule im Kern nicht reformiert (Trotz unzähliger Studien, Gutachen, etc). Dreigliedriges Schulssystem, Länder gesteuerte Bildung und unproduktives "hermundoktern", werden uns große Teile ganzer Generationenen kosten. Aber da fragt sich keiner der Politiker: Wer kann das bezahlen?!

  • G
    gerd.

    OT @Leserkommentare-Admins:

    Wenn es länger als 10 min dauert (und jetzt dauert es schon ca 5 Stunden, und das tagsüber), bis ein Kommentar eingestellt wird, ist die Kommentarfunktion für die Katz. Dann lässt sich zumindest nicht diskutieren, niemand nimmt Reaktionen zur Kenntnis - also könnte man dann genausogut auch einen Leserbrief per Post versenden. Schade um die Möglichkeit.

  • G
    gerd.

    Ich frage mich dabei, wieviel Prozent der Eltern aus der sogenannten bildungsnahen Schicht gegenüber irgendeiner Schule (privat oder nicht) bevorzugen würden, ihre Kinder selbst (oder gar nicht) zu unterrichten und die unsägliche Zwangsbeschulung (die es in sehr vielen Ländern so nicht gibt und von der UNO bereits kritisiert wurde) zu umgehen? Ich habe mir die zwei Grundschulen vor Ort angesehen und bei beiden mit Grausen gesagt, dass meine Kinder in dieses Unterdrückungssystem nicht gehen sollten. Da ist eine Privatschule in der Nähe nun die weitaus bessere Alternative, die den Kindern ermöglicht, sich freier zu entfalten bzw weitaus weniger in ihrem naturgemäßen Lern- und Wissenseifer zu stören, aber die Grundprobleme von Lehrplänen (die nie auf ein Kind passen und vollkommen kontraindiziert sind) sind auch dort vorhanden. Es wird Zeit, dass wir unsere Kinder aus dem Bevormundungssystem rausbekommen - wenn eine Schule und manche Lehrkräfte noch so schlecht sind, quälen wir die Kinder immer noch hin und stützen dieses irrsinnige System. Und das alles nur, weil es einfacher ist und der vermeintlich gerechte Ausgleich dafür, dass wir selbst als Kinder unterdrückt wurden. Aus meiner Sicht hilft nur, Schule freiwillig anzubieten - dann würden die bestehenden Schulen, Rektor/innen, Lehrer/innen zusehen müssen, wie sie Schule kind- bzw. jugendgerecht gestalten.

    Und zurück zum Artikel:

    Im Sinne der Abkehr von der Staatsschulgläubigkeit ist der Trend zu Privatschulen zu begrüßen, wenngleich es auch vielerlei andere Ursachen dafür gibt.

  • B
    blabla

    @leser: da is doch blödsinn, wenn ein lehrer an einer privatschule schlechte leistungen bringt dann is der ganz schnell weg vom fenster und anders rum muss man weder fachlich noch pädagogisch der überflieger um in den staatsdienst zu kommen. und so ein beamter muss sich dann mit den verhältnissen an öffentlichen schulen abfinden und hat kaum konsequenzen zu fürchten wenn er schlechte arbeit leistet. unser schulsystem is ein witz und wenn ich das geld hätte würd ich mir sofort eine privatschule mit vernünftigem konzept für meine kinder suchen.

  • PM
    Pro Multikultur

    Warum ist die Spaltung der Gesellschaft schlecht ? Multikultur ist nichts anderes als eine in Kulturen aufgeteilte Gesellschaft und wenn die verschiedenen Kulturen eine unterschiedliche Bildungsaffinität haben sollte man dies als jeweilige kulturelle Eigenheit wertschätzen und nicht einebenen.

  • T
    Tom

    Sechzig Prozent der Deutschen sind für mehr Wettbewerb unter den Schulen,...

    "Damit festigt sich ein Trend."

     

    Das ist kein Trend, sondern ein besorgniserregender Zustand!

  • H
    H.St.

    An Waldorfschulen zahlt man so viel Geld wie man möchte auf die Art werden die Ärmeren von den besser verdienenden mitgetragen. Wieviel man zahlt weiß nur ein kleiner dafür zuständiger Elternkreis (3 Personen oder so)der Rest und die Lehrer nicht

    --> Privatschulen können die Kluft zwischen arm&reich auch verkleinern und was die ABI-Abgänge betrifft liegen Waldorfschulen trotz "leistungsgemischter" Klassen weit vorm Durchschnitt auch wenn ein Waldorflehrer beispielsweise 1000€ weniger pro Monat wie er beim Staat verdienen könnte verdient (Das macht übrigens im Jahr 12.000€ rechne das mal 10-50 Jahre...Das erweitert die Kluft zwischen arm&reich).

  • FA
    Franz Anneser

    Wer zur Privatschule wechselt findet dort nicht unbedingt die besseren Lehrer aber eine ausgewählte Schicht von Mitschülern. Es ist keine Kunst mit Kinder aus auschließlich bildungsnahen Schichten einen besseren Unterricht zu machen. Und so verstärkt sich dieser Trend von selbst, eine für die Benachteiligten sehr fatale Entwicklung.

  • MN
    Mo Nokel

    Hier vor Ort (im Schwäbischen) gibt es eine kirchlich-geprägte Realschule. Man höre und staune, sogar mit dem Kruzifix im Klassenzimmer! Disziplin und Ordnung wird gross geschrieben - Schulkleidung ist Pflicht, Rauchen und Alkohol ist auf dem Schulgelände ein absolutes Tabu. Kopftücher wurden noch nicht gesichtet. Zwei Drittel der Absolventinnen haben den Realschulabschluß mit einen Preis oder eine Belobigung erreicht. Die örtlichen Unternehmen stellen vorrangig diese jungen Menschen ein.

     

    Nicht besonders zu erwähnen ist der Umstand, dass für die Aufnahme lange Wartelisten existieren und zum Teil Aufnahmeprüfungen gemacht werden.

     

    Tja, nix mit "Ausleben" nach dem Vorbilde der Alt-68. Ist vorbei, leistungsorientierte und strebsame Menschen werden gesucht und die haben ihre Chance.

     

    Die Teilnahme an den Pisa-Studien werden erfolgreich durchgeführt. (Zur Erinnerung: an der Pisa-Studie dürfen sogar Schüler teilnehmen, welche nicht mal wissen, dass bei den Baseball-caps der Mützenschirm sinnvoller Weise nach vorne zeigen sollte und die Auswahl der Jeans nach Größe so getroffen werden sollte, dass der blanke Hintern gut verpackt ist ....) Ironie aus.

     

    Tja, kein Wunder dass das Prekariat wächst. Da brauche ich nur die Berichte aus Berlin (Rütli-Schule), Bremen und Hamburg zur Schulsituation lesen.

     

    Tja, der Zug ist schon abgefahren; die wenigsten habens - mangels fehlendem Intellekt bzw. Desinteresse der Eltern (bildungsferne Schichten, Migranten etc.) - begriffen.

     

    Bleibt persönlich nur der Ärger, dass ich diese Leute noch 5-10 Jahre durchfüttern muss. Länger nicht, dann kommt der Kahlschlag, das wissen wir alle ...

  • R
    roterbaron

    Bildungswüste Deutschland....

  • L
    Leser

    Wie kann man nur glauben, private Schulen hätten bessere Lehrer?

     

    Wenn man einem Lehrer anbietet, im Staatsdienst Beamter auf Lebenszeit zu werden, dann wäre er blöd, in der Privatwirtschaft einen Zeitvertrag abzuschließen.

     

    Viele Lehrer, die an Privatschulen unterrichten, sind solche, denen der Staat aufgrund mangelnder Leistungen im Referendariat diese Möglichkeit nicht eröffnet hat.

     

    Oder um es klarer zu sagen:

    Lehrer an Privatschulen sind oft der Bodensatz der pädagogischen Zunft - und wer glaubt, eine bessere finanzielle Ausstattung könne das wettmachen, der träume weiter.

  • M
    mg95

    Wird hier nicht ein Trend herbeigeredet? Steckt hinter solchen Umfragen nicht vielleicht eine Lobby, nämlich die der Privatschulbetreiber?

     

    Persönlich finde ich es schon schlimm genug, wie sehr der Schulerfolg in Deutschland vom Elternhaus abhängt. Würden die SchülerInnen auch noch in getrennten Schulen unterrichtet und davor womöglich in (Luxus-)Kindergärten betreut, dann wäre die endgültige Spaltung der Gesellschaft erreicht.

  • Y
    Yannick

    Privatschulen spliten die Gesellschaft doch noch mehr in Arm und Reich. Bildung muss Aufgabe der Länder oder noch besser Aufgabe des Bundes bleiben, um allen Kindern eine faire, von dem Geldbeutel ihrer Eltern unabhängige Chance, zu geben.

    Aber was Deutschland für die Bildung tut ist ja sowieso nur noch zum Lachen.

  • E
    eto

    Halte Privatschulen für problematisch, sicherlich können einige mit ihrer Qualität punkten, jedoch verschäft es die ohnehin schon existierenden Bildungsklassen. Damit wird die Kluft wieder größer zwischen Arm und Reich.

     

    So wichtige Dinge wie Bildung, Telekommunikation, Nah- und Fernverkehr, Abwasserversorgung und vieles mehr sollte ein Staat nie aus den Händen geben. Das machen nur Staaten die Intressengesteuert sind *wink mit dem Zaun...ihr wisst schon" :)

  • J
    Jens

    Wen wundert der Trend zur Privatschule, wenn man

    sich das Desaster, speziell in Dauerexperimentierländern wie Bremen ansieht