Neue Sitcom bei ZDFneo: Sexkram vor alter BRD-Tapete

Die neue Mini-Serie „Komm schon!“ aus dem ZDF-Kindergarten ist schön, aber in ihrer ersten Staffel noch zu brav.

Hauptdarstellerin Marlene Morreis

Paar- und Sexualtherapeutin Anette (Marlene Morreis). Foto: Peter Drittenpreis/ZDF

Es gibt sie tatsächlich im großen Zweiten Deutschen Fernsehen: die Nische, in der Ideen entwickelt werden und gedeihen können. Ein bisschen wie der Kindergarten, wo die Kinder einfach noch spielen können, bevor die Schule beginnt. Beim ZDF ist der Kindergarten bei der Redaktion des Kleinen Fernsehspiels angesiedelt. Er heißt: Quantum. Was überhaupt kein schöner Name ist für einen Kindergarten. Quantum klingt nach Chronograf oder James Bond. Nach Geheimlabor. Nach Wissenschaft. „Lerchentiger“ oder „Krabbelkäfer“ wäre viel schöner und passender gewesen.

Gerade wenn man sich anschaut, was zuletzt die Quantum-Schmiede verließ: „Eichwald, MdB“ zum Beispiel oder „Lerchenberg“, dessen zweite Staffel im September lief. Comedy-Serien also. Nichts Hartes. Nichts Schweres. Nichts Quantum. Genau wie das neueste Projekt: „Komm schon!“. Auch so eine lustige (Mini-)Serie mit zunächst vier Folgen, jeweils gut 20 Minuten lang, die ab diesem Donnerstag bei ZDFneo laufen. Dem Sender-Spielplatz, auf dem das ZDF seine Kindergartenkinder frei herumlaufen lässt.

Im Mittelpunkt von „Komm schon!“ steht die Paar- und Sexualtherapeutin Anette Lütjen, gespielt von Marlene Morreis. Anette hat gerade in Hamburg ihre Praxis eröffnet, da taucht auch schon ihre Mutter Susann (Victoria Trauttmansdorff) auf – mit guten Tipps: „Ich dachte, du wolltest Potenzprobleme heilen und nicht verursachen“, sagt sie und zupft an Strickjacke und Bluse vom Töchterchen, „so kann man doch nicht rumlaufen.“ Ihre Mutter wird Anette nicht mehr los. Sie wird ihre Sprechstundenhilfe und zieht bei ihr ein. „Meiner Mutter geht es wirklich schlecht“, versucht sie das ihrem Freund Oliver (Thomas Niehaus) schonend beizubringen, „ihre Wechseljahre schränken ihre sexuelle Energie ein.“ Olivers Antwort: „Uran verliert auch irgendwann an Energie, und man sollte es trotzdem nicht einfach mit nach Hause nehmen.“

Der Ton ist gesetzt. Es sind nicht die krachenden Pointen, die schnellen Lacher, die „Komm schon!“ dominieren. Es ist die Lakonie. Die Protagonisten sprechen, so wie man halt spricht, wenn man am Küchentisch oder in einer Praxis sitzt: mal stammelnd, meist grammatikalisch unkorrekt und immer ohne dass irgendjemand lacht.

Reibung und Rollenspiele

Jede der vier Folgen ist überschrieben mit den Klienten: „Jens“ macht den Anfang, ein Frotteur, der durch Reibung zum Höhepunkt kommt. Früher sei er im Bus schon vor dem Mittelgelenk gekommen, diesem beweglichen Knick in der Mitte von langen Bussen. Da hatte er immer schon zwei, drei Frauen gestreift.

Es folgen „Vera & Michael“, die durch Rollenspiele versuchen, ihr Sexleben wieder in Gang zu bringen. Er brüllt, kratzt an ihren Brüsten. Vera: „Stopp. Was ist das denn jetzt bitte?“ Michael: „Das ist ein T-Rex.“ Sie: „Und was soll daran erotisch sein.“ Er: „Ich hab keine Ahnung, du hast mir doch die Maske gegeben.“ Sie: „Aber es ist Godzilla!“ Läuft noch nicht so. Bei „Jana & Christoph“ ist es schwierig, weil sie Asperger-Autistin ist und unbefriedigt, das aber nicht schonend rüberbringen kann. Und in „Anette & Oliver“ geht es dann um die Sexualtherapeutin und ihren Freund selbst.

Nicht die krachenden Pointen und schnellen Lacher dominieren, sondern Lakonie

Das alles gefilmt in Wohnungen und der Praxis, die aussehen wie eine Mischung aus Kanzlerbungalow und Amtsstube: Braun-, Grün- und Grautöne dominieren. Dazu überzogene und genietete Kleiderbügel sowie dunkles Holzfurnier. Anrüchiger Sexkram vor spießigem, altem Westdeutschlandambiente.

Komm schon, ZDF!

Der Look erinnert ein bisschen an Loriot, der der Meister darin war, Figuren in absurde Situationen zu stürzen und ihnen doch Ernsthaftigkeit und Würde zuzugestehen. In der jüngeren Fernsehgeschichte war es „Der Tatortreiniger“, der gezeigt hat, wie man lakonische Dialoge und absurde Situationen zu einem großartigen Kammerspiel verknüpfen kann. „Komm schon!“ schafft das (noch) nicht. Die Serie wirkt noch zu zaghaft, die Situationen nicht absurd genug. Denn genau darin besteht ja die Schwierigkeit: Figuren müssen auf einem Weg in absurde Situationen gestürzt werden, der den ZuschauerInnen nachvollziehbar erscheint, der quasi ausweglos ist. Doch wie absurd darf das sein? Was ist nachvollziehbar? Wann kippt das Absurde in Klamauk?

"Komm schon!", ab 5.11. donnerstags, 23.10 Uhr, ZDFneo

Es ist ein schmaler Grat, auf dem Lena Krumkamp wandelt, die erst vor drei Jahren ihren Abschluss an der Hamburg Media School gemacht und nun „Komm schon!“ geschrieben hat. Vielleicht kommt dieser Mut zu mehr Abgedrehtem in weiteren Folgen. Wenn Krumkamp nochmal für weitere Folgen randarf. Komm schon, ZDF!

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