Neue Sicherheitstechnik: Ausziehen vorerst freiwillig
Am Hamburger Flughafen durchleuchtet die Bundespolizei Fluggäste bald wieder elektronisch. Angeblich funktioniert der Scanner nun einwandfrei, nachdem ein Probebetrieb ein Desaster war.
HAMBURG taz | Er kehrt zurück an den Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel: der Körperscanner L 3 der US-Rüstungsfirma Communication and Detection Systems. Am kommenden Montag nimmt die Bundespolizei eines dieser Geräte an den Schleusen zu den Abflugterminals in Betrieb. Es sei eine „neue Generation“ dieser Technologie, preist das Bundespolizei-Präsidium in Potsdam den Bodyscanner an. „In Frankfurt läuft das Gerät seit November erfolgreich“, sagt auch Maik Lewerenz von der Bundespolizei am Flughafen Hamburg
Mit dem sogenannten „Nacktscanner“, mit dem sich Reisende dann freiwillig als Alternative zum manuellen Abtasten kontrollieren lassen können, sollen unter der Bekleidung am Körper versteckte Sprengstoffe und Waffen aufgespürt werden. Anders als Metalldetektoren, können die duschkabinenartigen Geräte auch Keramik oder verborgene Flüssigkeiten ausfindig machen. Das 150.000 Euro teure Gerät arbeitet mit einer „aktiven Millimeterwellentechnologie“, welche nach den Beteuerungen der Bundespolizei „keine gesundheitlichen Auswirkungen“ haben. Der Körperscanner gibt demnach keine „realistischen Körperbilder“ der Fluggäste wieder, sondern markiert verdächtige Bereiche auf einem abstrakten Piktogramm in Form eines „Strichmännchens“. Die Kontrolleure, in Hamburg vornehmlich vom privaten Sicherheitsunternehmen „Deutscher Wach- und Schutzdienst“ gestellt, können dies auf einem Monitor erkennen. Auch eine Unterscheidung zwischen Mann und Frau sei auf dem dargestellten Piktogramm nicht möglich.
Schon vor zwei Jahren war diese Technologie im Rahmen eines bundesweiten Modellversuchs in Hamburg zehn Monate lang getestet worden – mit niederschmetternden Ergebnissen: Die Geräte sahen Problemzonen, wo es eigentlich keine Probleme gab. So schlugen die Bodyscanner schon bei Falten in Blusen und Röcken oder bei Schweißflecken an den Achseln unter dem Jacket Alarm, woraufhin Luftsicherheits-Assistenten die Passagiere mit Metallsonden nachkontrollieren mussten. Auch der schlichte Umstand, dass jemand mehrere Kleidungsschichten übereinander trug, machte dem Körperscanner Probleme. Manchmal waren Nachkontrollen von phasenweise 100 Prozent der bereits Gescannten notwendig, lange Schlangen und Verspätungen waren die Folge.
Der Airport Hamburg-Fuhlsbüttel ist erneut Vorreiter bei der von Innenministerium und Bundespolizei geplanten Einführung der Technologie der Ganzkörper-Scanner bei Passagierkontrollen auf deutschen Flughäfen.
Die Technologie funktioniert ähnlich wie hoch auflösende Wärmebildkameras und arbeitet mit Millimeterwellen, also elektromagnetischer Strahlung ähnlich den Wellenlängen von Infrarotlicht.
Hersteller der Körperscanner ist die US Firma L 3 Communication and Detection Systems, eine Tochter des Rüstungskonzerns L 3 Communication, der auch international geächtete Streubomben hergestellt hat.
Bei einem Probebetrieb in Hamburg sind 2010 in zehn Monaten mit zwei Bodyscannern 800.000 Reisende überprüft worden. Bei der Hälfte kam es zu Fehlalarmen. Nur bei 31 Prozent gab das Gerät ohne Beanstandungen grünes Licht.
„Es ist das gleiche Gerät“, sagt Bundespolizei-Sprecher Lewerenz, „aber mit völlig neuer Technik.“ Die aktuellen Körperscanner arbeiteten mit einer weiterentwickelten Software sowie einem verbesserten Detektions- und Darstellungsverfahren.
„Wir sind von den Geräten begeistert“, sagt Christian Altenhofer, Sprecher der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen. Dort ist seit November ein Körperscanner für USA-Flüge im Einsatz. „Sonst hätten wir die Dinger gar nicht aufgestellt“, sagt Altenhofer.
Nach dem gescheiterten Hamburger Modellversuch hatte die Gewerkschaft der Polizei von der Technologie abgeraten. Auch jetzt bleibt der Bundesvorsitzende Josef Scheuring „skeptisch“: Es müsse gewährleistet sein, dass es wegen Funktionsfehlern „zu keinen Sicherheitsproblemen kommt“, sagt Scheuring. „Wenn die Technik tatsächlich so weiterentwickelt ist, dass sie ohne Fehler funktioniert, dann kann sie aber auch eingesetzt werden.“
Die Bedenken der Datenschützer sind indes bei Weitem nicht ausgeräumt. „Ich werde den Probebetrieb kritisch begleiten und die Einhaltung der entsprechenden Zusagen des Bundesinnenministeriums überprüfen“, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Ihm sei versichert worden, dass weder künstliche Körperteile wie Darmausgänge noch medizinische Hilfsmittel wie Herzschrittmacher angezeigt werden.
Hamburgs Vize-Datenschutzbeauftragter Hans-Joachim Menzel kündigte an, dass sich seine Behörde nach Betriebsaufnahme der Sache annimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind