Neue Regierung in Syrien: Lieber doch keine Frau als Gouverneurin
Muhsina al-Mahithawi sollte Gouverneurin des drusisch geprägten Suweyda werden – im Amt ist sie bis heute nicht. Frauen und Minderheiten werden kaum berücksichtigt.
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Bereits bevor die Übergangsregierung in Syrien unter dem früheren Anführer der HTS-Miliz Ahmed al-Scharaa die Zusammensetzung des Komitees bekannt gab, hatte es immer wieder Kritik gegeben: Im bisherigen politische Prozess im neuen Syrien würde Frauen und Minderheiten zu wenig berücksichtigt, die neuen Machthaber dominierten. Sie sind mehrheitlich Sunniten mit Verbindungen zu Hayat Tahrir al-Scham (HTS), einer islamistischen Rebellengruppe, die sich nun als solche auflösen soll, und sich moderat gibt.
Ein Beispiel für diese Kritik ist etwa die Besetzung des Postens des Gouverneurs von Suweyda: Muhsina al-Mahithawi sollte eine der wenigen Frauen in Machtpositionen sein, nach dem Machtwechsel in Syrien. Gouverneurin der Region Suweyda hätte sie werden sollen, so hatte es die syrische staatliche Nachrichtenagentur Sana angekündigt. Die ursprüngliche Meldung ist inzwischen nicht mehr auffindbar, doch auf Wikipedia steht unter Muhsina al-Mahithawi weiter, sie sei „eine syrische Ökonomistin und Politikerin, die seit 2024 als Gouverneurin von Suweyda tätig ist“. Am 31. Dezember 2024 titelte die „Tagesschau“: „Syrische Regierung vergibt Posten an Frauen“, dabei wird al-Mahithawi aufgelistet.
„Nein, ich bin nicht Suweydas Gouverneurin“, sagt Muhsina al-Mahithawi nun am Telefon mit aufgeregter Stimme. „Ich habe kandidiert, doch bislang kam keine Ernennung.“ Sie sei zwar für das Amt vorgeschlagen worden, doch darauf, dass sie es offiziell antreten darf, hoffe sie bislang vergeblich. Sogar eine Stelle in der privaten Wirtschaft habe sie dafür aufgegeben. Ein HTS-Mann soll das Gouverneursamt übernehmen. Ein Sprecher der syrischen Verwaltung in Suweyda ließ eine Anfrage der taz dazu unbeantwortet.
„Wir haben einen anderen Lebensstil“
Al-Mahithawi war eine prominente Figur bei den Protesten, die vor allem ab August 2023 in der drusisch geprägten Stadt Suweyda gegen den nun gestürzten Diktator Baschar al-Assad stattfanden. Vor allem der wirtschaftliche Abstieg und die hohe Inflation trieben seit damals die Einwohner*innen der 375.000-Einwohnerstadt auf die Straßen. Auf dem Al-Karama-Platz versammelten sich jeden Freitag Protestierende, die drusische Flaggen schwankten. Eine von ihnen war Ola al-Thaher.
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Al-Thaher – schulterlange, schwarze Haare, geschminkte Augen – zeigt lächelnd zwei Plakate: Auf einem sind zwei Frauen zu sehen, auf dem anderen steht ein Datum, der 1.9.2023. Die habe sie selbst gemalt, für die Proteste, sagt sie stolz. Eigentlich war al-Thaher als Staatsangestellter das Protestieren verboten. Doch die „angestaute Wut“ sei zu groß gewesen, sagt sie. Damals, 2023, ging sie auf eine der Demonstrationen – und wurde seitdem fester Bestandteil des Protests. Nicht nur das: Sie rekrutierte aktiv Mitstreikende am Arbeitsplatz. Die Drohungen begannen, berufliche Nachteile, ein Ausreiseverbot – doch die ließen sie unbeeindruckt.
Jüngst ist eingetreten, was al-Thaher sich gewünscht hatte: Diktator Baschar al-Assad ist Anfang Dezember gefallen, die Chance einer Demokratie im Lande zum Greifen nah. „Wir haben am 8. Dezember Atem geholt“, sagt sie. Doch ein Unwohlsein, ein ungutes Gefühl nimmt ihr die Freude. Al-Thaher hat Angst. Für konservative Sunnit*innen „sind wir zu 100 Prozent Ungläubige“, erklärt sie. „Wir haben einen anderen Lebensstil.“ Kein Kopftuch, viele Frauen bewegen sich Tag und Nacht frei, andere Bräuche.
Sehnlich hätte sie sich gewünscht, dass al-Mahithawi an die Macht kommt, sagt al-Tahner. Und wartet weiter auf Teilhabe – und auf einen echten Durchbruch in ihrer Heimat.
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