Neue Regeln für Winterdienst: Es muss mehr geräumt werden
Neue Winterdienst-Bestimmungen sollen Chaos auf Berliner Straßen und Gehwegen verhindern. Laut Presseberichten überlegt die CDU, die Bestimmungen gleich wieder zu lockern.
Auch wenn es draußen noch herbstlich bunt ist - der Winter steht vor der Tür. Zumindest in juristischer Hinsicht. Am heutigen Dienstag tritt die letzte Verschärfung des Straßenreinigungsgesetzes in Kraft. Sie regelt, dass im Falle von Schneefall oder Eisbildung Gehwege an Hauptverkehrs- und Geschäftsstraßen fortan 1,5 Meter breit geräumt werden müssen. Bislang betrug die Räumbreite einen Meter. Zudem hat die zuständige Senatsverwaltung eine Verordnung angekündigt, nach der auf hochfrequentierten Bürgersteigen drei Meter breite Wege freigeräumt werden sollen. In einer Mitteilung nennt sie vor allem touristisch geprägte Straßen wie den Kurfürstendamm, die Tauentzienstraße und Unter den Linden. Andere Straßen in Wohngebieten mit hoher Bevölkerungsdichte fallen dagegen unter die 1,5-Meter-Regelung.
Nach kontroversen Diskussionen hatte das Abgeordnetenhaus im November 2010 mit der Mehrheit der rot-roten Koalition eine Änderung der Winterdienstbestimmungen beschlossen. In den Wintern zuvor hatten stark vereiste Straßen und Gehwege zu chaotischen Zuständen gesorgt. Im Januar und Febuar 2010 hatte eine wellige, teilweise mehr als zehn Zentimer dicke Eisschicht auf Bürgersteigen viele Menschen davon abgehalten, vor die Haustür zu gehen. Die Zahl der Knochenbrüche war deutlich gestiegen.
Kritiker bemängeln an der Neuregelung, dass die verschärften Regelungen zu einem dramatischen Kostenanstieg für den Winterdienst geführt haben. "Alles, was erreicht wurde, ist eine Verteuerung der Mieten", schimpft Dieter Blümmel vom Hauseigentümerverband Haus und Grund. Denn die Winterdienstfirmen ließen sich die neuen Dienste teuer bezahlen. Über die Betriebskosten wird der Aufpreis auf die Mieter umgelegt. Eigentümer durchschnittlicher Mietshäuser sahen sich laut Blümmel gezwungen, die Nebenkosten für den Winterdienst um das Vierfache zu erhöhen.
Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion, machte den rot-roten Senat für den Preisanstieg verantwortlich. Die neuen Regelungen seien deutlich überzogen auf den Weg gebracht worden, ließ sie in einer Mitteilung wissen. "Jetzt haben die Winterdienst-Unternehmen die Preise extrem erhöht, ohne nachweisen zu müssen, ob sie ausreichend personelle und materielle Ressourcen zur Verfügung haben, um die vertraglichen Leistungen zu erfüllen", kritisiert Kubala.
Viele der neuen Bestimmungen waren bereits Anfang des vergangenen Winters in Kraft getreten. Demnach müssen Grundeigentümer nicht nur Schnee, sondern auch Eis frühzeitig entfernen. Dies war bislang nur dann notwendig gewesen, wenn das Streuen von abstumpfenden Mitteln - etwa Splitt - nicht mehr ausreichte. Daneben umfassen die Änderungen mehr Zuständigkeiten für die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) und ein Ende der sogenannten Übernahmeregelung. Zwar dürfen Hauseigentümer weiterhin Dritte, etwa private Winterdienstfirmen, mit dem Winterdienst beauftragen. Die Verantwortung können sie aber nicht mehr delegieren. Für Schäden, die aufgrund mangelhaften Winterdienstes vor ihrem Grundstück entstehen, können sie nun haftbar gemacht werden.
Presseberichten zufolge überlegt die CDU, die Bestimmungen nun wieder zu lockern. Sie hatte die vom rot-roten Senat in die Wege geleitete Novellierung im vergangenen Jahr scharf kritisiert. Zu den laufenden Koalitionsverhandlungen wollte sich niemand in der Berliner CDU-Fraktion äußern. Eine Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus zeigte sich jedoch gegenüber der taz flexibel: "Unsere Position bleibt nicht unbedingt die, die wir im vergangenen Jahr hatten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies