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Neue Literatur über psychische KrankheitDer Erkrankung den Schrecken nehmen

Gute Literatur, die sich mit Depression und Co beschäftigt, macht das Thema auch für Nicht-Betroffene begreifbar. Zwei neuen Büchern gelingt genau das.

Literatur als Mittel, dem Unbeschreiblichen seinen Schrecken zu nehmen Foto: Lee Martin/plainpicture

E s ist nichts neu daran, Bücher über die psychische Verfasstheit zu schreiben: Woolf und Plath haben es getan, Levé und Foster Wallace ebenso. Auch auf dem deutschen Markt wird die Liste derer, die sich dem Thema Psyche und ihrer Erkrankung widmen, länger: Kuttner, Roche, Maack, Melle, Bockhorst, Krömer, nicht zu vergessen von Stuckrad-Barre und von Rönne.

Das ist nicht immer gleich gut zu lesen, vor allem nicht immer schön, doch schaffen es die meisten Au­to­r*in­nen, den fiesen Unwägbarkeiten eine humorvolle Note zu verpassen. Ein wichtiger Kniff, dem oft Unbeschreiblichen seinen Schrecken zu nehmen und es auch für diejenigen greifbar zu machen, die damit glücklicherweise keine (direkte) Berührung haben.

Zwei Namen, die ich diesem Kanon hinzufügen möchte: Minu D. Tizabi und Lena-Marie Biertimpel. Beide Anfang der 1990er geboren, finden sie in ihren Romanen „Revolution Morgen 12 Uhr“ (Blumenbar, 2021) und „Luftpolster“ (Leykam, 2022) einen wundervoll einnehmenden Ton für das, was mit der Psyche passieren kann.

„Es ist kein schönes Gefühl, das kann ich euch sagen. Wenn man im Leben einmal psychisch erkrankt ist, nimmt einem das so eine gewisse Ursicherheit weg. Die Sicherheit, den eigenen Kopf und Verstand unter Kontrolle zu haben“, sagt Tizabis Protagonist.

Sean ist Anfang 20 und eigentlich gerade dabei, das Leben zu entdecken und bestenfalls in vollen Zügen zu genießen, als er an einer Depression erkrankt. Hinzu kommen Panikattacken, bei denen Sean sich „partout nicht mit dem Gedanken anfreunden [kann], dass alles – der Puls, die Schmerzen, der Schwindel – rein psychisch bedingt sein soll.“

Das „echte Leben“ nach der Klinik

Sean und Biertimpels namenlose Protagonistin suchen Hilfe in psychiatrischen Kliniken und finden diese in den routineschaffenden Abläufen, in der Mischung aus therapeutischer und medikamentöser Unterstützung und in anderen Patient*innen. Letzteres ist kein unerheblicher Faktor, hilft es einem doch zu sehen, dass man nicht allein ist mit den unsichtbaren Wunden.

Auch ich erinnere mich noch gut an diese Lei­dens­ge­nos­s*in­nen bei meinem Klinikaufenthalt. Durch sie änderte sich meine Perspektive. Ich lernte das, was mir passiert war, anzunehmen. [sic!] „ich bin wirklich krank, denke ich. ich weine wieder. meine seele hat auch verbrannte flecken. […] aus den wunden werden narben“, so erkennt es die Protagonistin in „Luftpolster“ kurz vor ihrer Klinik­entlassung.

Dass diese unweigerlich irgendwann ansteht und man wieder zurück muss ins „echte“ Leben, wissen auch die Prot­ago­nis­t*in­nen. Während Sean mit einigen Mit­pa­ti­en­t*in­nen auf einen skurrilen Roadtrip von Berlin nach Paris geht, wird sich in „Luftpolster“ zögerlich mit der Außenwelt konfrontiert.

Was Tizabi und Biertimpel schaffen, ist nicht nur schöne Literatur, es ist auch Akzeptanz und Hoffnung.

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Sophia Zessnik
Redakteurin für Theater
Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.
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