Neue Kämpfe in Mali: „Banditen, die den Schlaf stören“
Die ersten Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Tuareg-Rebellen in Mali seit Monaten nähren Ängste vor einem Ende des Friedensprozesses.
BERLIN taz | Bricht der fragile Frieden in Mali schon wieder zusammen? Nur wenige Tage nach der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacara Keita vergangene Woche und der Einsetzung des neuen Regierungskabinetts vor wenigen Tagen ist es wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Armee und Tuareg-Rebellen gekommen – den ersten seit den Wahlen vom Sommer.
Die Einzelheiten bleiben umstritten, aber beide Seiten bestätigen die Zusammenstöße bei Foita in der Nähe des Ortes Léré im Nordwesten Malis an der mauretanischen Grenze.
Nach Armeeangaben führte das Militär am Mittwoch „bei Patrouillen im Rahmen der Sicherung des Staatsgebietes einen Angriff auf bewaffnete Banditen“ durch. Einige „Banditen“ seien verhaftet worden.
Die Tuareg-Rebellenbewegung MNLA (Nationalbewegung für die Befreiung von Azawad) sagte, es habe sich um ihre Stellungen gehandelt und der Armeeangriff sei „eine flagrante Verletzung“ des geltenden Friedensabkommens von Ouagadougou zwischen Regierung und Rebellen vom Juni. Sie sagte, sie habe zwei Armeefahrzeuge zerstört.
Dazu sagte wiederum ein Armeesprecher, es habe keine Zusammenstöße mit der MNLA gegeben, sondern lediglich mit „bewaffneten Männern, die den Schlaf der Bevölkerung stören“.
Er warnte aber, das Abkommen von Ouagadougou sehe vor, dass die MNLA „normalerweise“ ihre Kämpfer nur um die nordostmalische Stadt Kidal halten dürfe. „Jedes bewaffnete Element in einer anderen Region muss als solches bekämpft werden.“
Tiefes Misstrauen
Die gegenseitigen Beschuldigungen zeugen von tiefem Misstrauen. Auf der einen Seite steht eine frisch gewählte Regierung, die sich gegenüber bewaffneten Gruppen für viel legitimierter hält als die Übergangsregierungen seit dem Militärputsch 2012, deren Armee massive internationale Hilfe erhält, unter anderem von Bundeswehrausbildern.
Auf der anderen Seite stehen die Rebellen, die Anfang 2012 Nordmali erobert und den kurzlebigen unabhängigen Staat „Azawad“ ausgerufen hatten und die sich wieder als Hauptansprechpartner der Regierung für die Belange der Tuareg und Araber sehen.
Die Region um Léré war bereits 2012 Kampfgebiet und ist auch nach der französischen Militärintervention vom Januar unsicher geblieben. Die meisten Araber und Tuareg von Léré sollen nach Mauretanien geflohen sein.
Ein Augenzeugenbericht aus Léré, der der taz vorliegt, spricht davon, dass die Regierungsarmee seit ihrer Rückkehr nach Léré Ende Januar einen Wegezoll für Araber auf dem Weg zum Markt von Léré eingeführt habe; zahlreiche Tuareg seien verhaftet worden. Am 11. August hätten Soldaten das Haus der Familie eines hochrangigen Tuareg-Politikers in Léré zerstört und die Tötung eines Bewohners durch Anwohner geduldet.
Auch in anderen Landesteilen geht die Armee verstärkt gegen Tuareg vor. Im nordmalischen Gao laufen nach amtlichen Angaben Entwaffnungsaktionen. In Timbuktu hat die Gendarmerie elf MNLA-Kämpfer festgenommen. Begründung: Die Rebellen haben sich zur Entwaffnung verpflichtet.
Die neugewählte Regierung ist am Zug
Nach MNLA-Lesart allerdings wird der Entwaffnungsprozess von der UNO durchgeführt und hat noch nicht begonnen. Die Regierung wiederum sagt, dass die MNLA zuerst ihre Kämpfer an vorher bestimmten Orten zusammenziehen muss.
Mit Spannung wartet das Land nun, was die neugewählte Regierung zur Entschärfung der Spannungen plant. Das Friedensabkommen sieht einen formellen Dialog zwischen Rebellen und neuer Regierung spätestens 60 Tage nach deren Amtseinführung vor. In der Presse ist nun die Rede von einer Friedenskonferenz noch dieses Jahr. Aber die MNLA wird dabei wohl, anders als sie hofft, nicht die zentrale Rolle spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!