Neue Heimat für Fotografie: Der amerikanische Traum

Nach 15 Jahren ohne feste Bleibe erhält das Ausstellungshaus C/O Berlin endlich ein dauerhaftes Domizil im frisch renovierten Amerika-Haus.

Grelle Farben: eine Hommage an die Fünfziger Bild: c/o Berlin

Eigentlich müsste sich C/O Berlin jetzt umbenennen: Denn Berlins bekanntestes Ausstellungshaus für zeitgenössische Fotografie, das mit der englischen Abkürzung für postlagernde Sendungen „Care of“ die örtliche Ungebundenheit im Namen trägt, wird ab sofort sesshaft. Im Amerika-Haus an der Hardenbergstraße ist am Donnerstag „Grand Opening“ mit vier Ausstellungen. Der Mietvertrag mit dem Land garantiert, dass das neue Domizil in der City West für die nächsten 21 Jahre sicher ist. Für den privaten Foto-Ort, der in den letzten Jahre viele Umzüge und Rückschläge bei der Standortsuche einstecken musste, ist das eine Sensation.

Seit seiner Gründung 2000 durch den Fotografen Stephan Erfurt, den Designer Marc Naroska und den Architekten Ingo Pott zieht C/O Berlin durch Mitte, stets auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Und stets nur temporär geduldet vom jeweiligen Immobilienbesitzer: Aus dem Postfuhramt an der Oranienburger Straße in eine ehemalige Gießerei in der Linienstraße. Dann wieder zurück ins Postfuhramt. Nun wendete sich das ehemalige Mitte-Kind gen Westen. Klaus Wowereit und sein ehemaliger Staatssekretär André Schmitz waren es, die C/O Berlin an die Hardenbergstraße holten. Plötzlich ging so einfach, was in Mitte jahrelang unmöglich schien.

„Ich bin sehr gerührt über dieses neue, schöne und filigrane Haus der Fotokunst“, sagte C/O Berlin-Gründungsmitglied Stephan Erfurt am Mittwoch bei der Voreröffnung des Amerika-Hauses. Erfurt blickte noch einmal zurück auf knapp zwei Jahre, in denen C/O Berlin ohne eigenen Ausstellungsraum war – und auf die nervenzehrenden Jahre davor. „Der Ort war immer am wichtigsten für uns. Aber er war oft auch der Grund, warum das Projekt C/O Berlin immer wieder auf Messers Schneide stand“. 70 Gebäude hätten er und seine Partner angesehen, am Schluss kaum mehr Hoffnung gehabt. Wäre nicht der „idealistische Wahnsinn“ gewesen, der die Foto-Enthusiasten zusammenhielt, wäre der Institution C/O Berlin in dieser Zeit die Luft ausgegangen. Wohl auch ohne die Mittel, über die Erfurt durch seinen finanziellen Hintergrund verfügt: Der gebürtige Wuppertaler ist Sohn der Erfurt-Tapetendynastie, sein Urgroßvater hat 1827 die Raufasertapete erfunden.

Zum Glück kam dann das Amerika-Haus. Das verrammelte Fifties-Gebäude am Bahnhof Zoo verglich Erfurt, metaphorisch etwas schief, mit einem „Schneewittchen, das man erst wachküssen muss“. Das ist gelungen, wie man beim Rundgang durch die Räume sehen konnte: So präsentiert sich das Haus, das bis 2006 als US-amerikanisches Informations- und Kulturzentrum diente, als sorgsam restauriertes Baudenkmal – und zugleich als hochfunktionaler Ausstellungsort.

Das C/O Berlin ist ein Ausstellungshaus für Fotographie. In den letzten Jahren wurden dort unter anderem Ausstellungen von Künstlern wie Annie Leibovitz, Peter Lindbergh und Karl Lagerfeld gezeigt.

Das Amerika-Haus in Charlottenburg war ursprünglich ein Veranstaltungs- und Informationszentrum der USA. Mit den Jahren wurden jedoch die Sicherheitsmaßnahmen immer weiter verstärkt, bis das Haus nur noch geladenen Gästen zugänglich war. Ab 2014 wird C/O Berlin das Amerika-Haus als neuen Standort nutzen. Zweitmieter ist die Landeszentrale für politische Bildung.

Für die Sanierung des 1956/57 im Rahmen der internationalen Bauausstellung von Bruno Grimmek entworfenen Hauses erhielt C/O Berlin eine Million Euro aus Lottomitteln, 1,5 Millionen trieben die gut vernetzten Foto-Freunde selbst ein. Das Haus mit dem Stars-and-Stripes-Mosaik an der Fassade, seinem riesigen Kinosaal und Blick auf den Zoo muss sich C/O Berlin mit der Landeszentrale für Politische Bildung teilen. Trotzdem hat die Galerie jetzt mit 2.300 Quadratmetern mehr Ausstellungsfläche zur Verfügung als im Postfuhramt.

Die zu bespielen dürfte Erfurt und Co., die sich 2013 in einer Stiftung reorganisiert haben, nicht schwer fallen: Neben den Ausstellungen, von denen es etwa 15 pro Jahr geben wird, führt C/O Berlin den jährlichen Nachwuchswettbewerb „Talents“ durch, die „Junior“-Reihe bietet Workshops für Kinder an. Neu im Programm ist „C/O-Education“. In einer angemieteten Ladenfläche zwei Häuser weiter soll eine „Schule des neuen Sehens“ eröffnen: Kinder-, Jugend- und Erwachsenen-Workshops.

Er freue sich darauf, sagte Stephan Erfurt am Mittwoch, ein Fotozentrum in der City West zu etablieren, zusammen mit Nachbarn wie der Universität der Künste, dem Helmut Newton Museum und dem Deutschen Werkbund.

Und schon jetzt bieten die Ausstellungen einen Anlass für einen Abstecher in die Hardenbergstraße. Neben Bildern und Kontaktbögen der legendären Fotoagentur Magnum, die tief in die Fotografiegeschichte weisen, ist ein Fotograf zu sehen, der elegant auf die Ursprünge des Hauses als amerikanisches Zentrum für Demokratie- und Kulturerziehung zurückwirkt: Will McBride war der erste Fotograf, der im neueröffneten Amerikahaus ausstellte. Nun ist er der erste, der mit seinen subjektiven Schwarz-Weiß-Berlinbildern den Foto-Ort C/O Berlin einweiht.

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