Neue Fahrzeuge aus Sondermitteln finanziert: Polizei bringt Konjunktur in Fahrt
Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass Niedersachsens Innenminister Schünemann 1.000 neue Fahrzeuge für den Polizei-Fuhrpark mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II angeschafft hat.
HANNOVER taz | Verschwendung von Steuergeld wirft der Bund der Steuerzahler Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) vor. 1.000 neue Fahrzeuge hatte der seiner Polizei 2009 gegönnt. Gesamtkosten: 29 Millionen Euro. Zehn Millionen Euro davon stammten aus dem Konjunkturpaket II - eine Investition, deren Notwendigkeit der Bund der Steuerzahler in Hannover jetzt infrage stellt.
"Die Gunst der Stunde", sagt Sprecher Bernhard Zentgraf, habe Schünemann 2009 genutzt. 920 Millionen Euro hatte die Bundesregierung da im Zuge des Konjunkturpakets II für Niedersachsen zur Verfügung gestellt, um die Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise abzumildern. Land und Kommunen legten rund 940 Millionen Euro drauf.
Investiert werden sollte in nachhaltige, schnell umsetzbare - und vor allem zusätzliche Maßnahmen mit breiter wirtschaftlicher Wirkung, so die Vorgabe des Bundes. Ein Großteil der Konjunkturpaket II-Mittel floss in Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und den Städtebau. Die Erneuerung des niedersächsischen Polizei-Fuhrparks wurde indes unter "sonstigen Infrastrukturinvestitionen" verbucht.
Etwa zehn Millionen Euro werden laut Innenministerium im Schnitt jährlich in die rund 4.500 Fahrzeuge starke Wagenflotte investiert. "Die Fahrzeuge sind ständig im Einsatz, der Verschleiß ist hoch", erklärt Ministeriumssprecherin Vera Wucherpfennig.
In Niedersachsen wurden im Zuge des Konjunkturpakets II, dem Pakt für Beschäftigung, 1,7 Milliarden Euro investiert.
Abgeschlossen sein sollen alle der rund 5.900 geförderten Vorhaben bis Ende 2011.
Sportstätten wie Turnhallen und Schwimmbäder wurden in 81 Kommunen saniert.
Der Zugang zu schnellem Internet wurde im bislang unterversorgten ländlichen Raum durch den Ausbau der Breitbandverbindungen ausgebaut.
Digitale Unterrichtsmedien wurden für Schulen und Medienzentren angeschafft.
2009 offenbar besonders hoch: Da gab es nicht nur die Finanzspritze aus dem so genannten Pakt für Beschäftigung, es floss auch fast doppelt so viel wie üblich an Haushaltsmitteln.
Polizeimotorräder, Wagen für Hundeführer, Zivilstreifen, Spezialfahrzeuge für Mobile Einsatzkommandos und vor allem Streifenwagen, meist vom Wolfsburger Autobauer VW, in der Farbe silber-blau standen auf der Bestellliste des Innenministeriums. Und genau da vermutet Zentgraf vom Bund der Steuerzahler das Motiv: Schünemann habe den Fuhrpark der Polizei mithilfe des Konjunkturpakets schneller vom alten Grün-Weiß auf das europaweit einheitliche Silber-Blau umstellen wollen, sagt er.
Das Innenministerium hingegen spricht von einem "guten Nebeneffekt". "Nach außen einheitlicher repräsentiert zu sein, war aber nicht das erste Ziel", sagt Sprecherin Wucherpfenning. Vielmehr habe die Verjüngung der Flotte mit effizienteren und benzinsparenderen Fahrzeugen ökonomische wie ökologische Gründe gehabt.
Sie sieht gar eine "Win-Win-Situation": Das Land habe die Voraussetzung für gute Polizeiarbeit geschaffen, die für Niedersachsen so wichtige Automobilbranche wirtschaftlich profitiert. Und die Konjunktur anzuschieben, so sagt Wucherpfenning, "war doch Sinn und Zweck des Maßnahmenpaketes".
Zentgraf vom Bund der Steuerzahler sieht das anders: "Für die Automobilindustrie hat der Staat beim Konjunkturpaket II mit der Abwrackprämie schon genug getan", sagt er. Für die 1.000 neuen Polizei-Fahrzeuge sei mehr als nötig ausgegeben worden. "Wäre die Erneuerung tatsächlich aus wirtschaftlichen Gründen notwendig gewesen", erklärt Zentgraf, "hätte man das im Rahmen des regulären Haushalts finanzieren müssen."
Zur Abwechslung Lob für den verjüngten Fuhrpark gibt es für den Dienstherrn Schünemann derweil von der niedersächsischen Gewerkschaft der Polizei (GDP). Wo sonst über Einsparungen, Beförderungsstau, schlechte Ausrüstung und lange Einsatzzeiten geklagt wird, ist die Freude groß, wie GDP-Sprecher Reiner Fischer sagt: "Alle sind erleichtert, dass sie nicht mehr auf durchgesessenen Sitzen und alten Böcken sitzen müssen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen