: Neue Erdstöße im Katastrophengebiet
■ Nachbeben im iranischen Katastrophengebiet behindern Hilfsmaßnahmen / Zahl der Erdbebenopfer steigt weiter an / Seuchengefahr in der Region breitet sich aus / Teheraner Regierung nimmt Hilfe aus aller Welt an
Teheran (dpa/ap) - In den nordiranischen Provinzen Gilan und Zanjan ist es nach dem verheerenden Erdbeben der vergangenen Woche in der Nacht zum Montag erneut zu heftigen Erdstößen gekommen. Die neuen Beben haben in den ohnehin verwüsteten Provinzen Erdrutsche ausgelöst, die wichtige Zufahrtsstraßen blockierten. Fünf Tage nach dem 7,3 Grad starken Stoß auf der Richter-Skala meldete Radio Teheran am Montag 48.000 Tote, also noch einmal 15.000 mehr als in den Nachrichtensendungen am Sonntag.
Dabei wurde weiter betont, daß noch immer unzählige Leichen unter den Trümmern von eingestürzten Hütten und Häusern liegen.
Augenzeugen berichteten im Rundfunk, das Grauen, das die Menschen gepackt habe, sei unermeßlich. Herzzerreißende Schreie von Eltern, die ihre Kinder verloren haben, seien in den zum Teil völlig verwüsteten Dörfern und Städten zu hören. Die Männer der Aufräumtrupps müssen auf Anweisung der Regierung in Teheran Gasmasken tragen, da durch Temperaturen von mehr als 30 Grad und durch die Feuchtigkeit von strömendem Regen am Wochenende bei den meisten Leichen die Verwesung schon eingesetzt habe. Tausende von Menschen werden evakuiert, weil sie nach dem Verlust ihrer Familien von Seuchen bedroht sind.
Die Teheraner Regierung nimmt Hilfe aus aller Welt an. Als Ausnahmen wurden Israel und Südafrika genannt. Auch die USA haben Schiffe und Flugzeuge mit Hilfsgütern geschickt. Hilfsgüter aus England sind den Iranern ebenfalls willkommen, obwohl der Konflikt um das Buch Satanische Verse von Salman Rushdie nicht ausgestanden ist.
Die iranische Botschaft in Athen teilte am Montag mit, man habe inzwischen ausreichend Ärzte und Krankenpfleger. Dringend erforderlich seien weiterhin jedoch Medikamente, Blutkonserven, Verbandsmaterial, Lebensmittel, Zelte, Wolldecken und Kleidung. Die Aufräumarbeiten seien außerordentlich schwierig. Noch immer seien viele Straßen verschüttet oder aufgerissen, so daß Hilfe nur per Hubschrauber an viele Unglücksorte gelangen könne.
Die ersten Hilfsteams aus Frankreich, der Sowjetunion, Großbritannien und Japan sind seit dem Wochenende an der Arbeit. Inzwischen sind an den Rettungsarbeiten auch Spezialisten aus Ländern beteiligt, deren Beziehungen zu dem Iran stark belastet sind, darunter Ägypten, Kuwait und die USA.
Bisher sind kaum Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Cholera getroffen worden. Berichten aus der Region zufolge wird immer noch Wasser aus Flüssen getrunken, das durch tote Tiere verseucht ist.
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