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Neue EU-FührungsspitzeKompromiss ohne Konturen

Europa hat eine neue Spitze: Die Wahl fiel auf den belgischen Konservativen van Rompuy und die britische Labour-Politikerin Ashton. Die Grünen kritisierten die Auswahl als "glanzlos".

Nach langem Ringen gefunden: Van Rompuy und Ashton. Bild: dpa

BRÜSSEL ap/afp | Die neue Führungsspitze der Europäischen Union steht: Der belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy ist am Donnerstagabend auf dem EU-Gipfel in Brüssel zum ersten hauptamtlichen Ratspräsidenten der Europäischen Union berufen worden. Zur neuen EU-Außenpolitikchefin wurde die britische Handelskommissarin Catherine Ashton ernannt. Van Rompuy erklärte, er wolle ein Präsident des Ausgleichs sein.

Präsident des Ausgleichs

"Jedes Land sollte siegreich aus Verhandlungen hervorgehen", sagte der 62-jährige Christdemokrat, der in Zukunft die Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs leiten wird. Seine Amtszeit beginnt am 1. Dezember mit dem Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon.

Er sehe seine Aufgabe darin, neutral zwischen nationalen Interessen zu vermitteln, betonte der Belgier. "Meine persönliche Meinung ist irrelevant", sagte er auf die Frage, wie er zum Beispiel über eine Aufnahme der Türkei in die EU denke. Van Rompuy hat sich in der Vergangenheit dagegen ausgesprochen.

Merkel lobt Amtsauffassung

Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die Amtsauffassung Van Rompuys. Sowohl bei ihm als auch bei Ashton habe sie "hohes Vertrauen, dass sie nichts Falsches sagen über das, was Europa zum Schluss entscheidet", sagte Merkel.

Dass sei besser als jemand, "der vielleicht für eine Meinung besonders gut spricht", letztlich aber eingestehen müsse, "dass gar nicht alle dahinterstehen". Die Kanzlerin begründete damit indirekt, warum sie profiliertere Kandidaten wie den britischen Ex-Premierminister Tony Blair ablehnte.

Auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy verteidigte die Personalentscheidungen. Van Rompuy sei "eine der stärksten Persönlichkeiten" unter den 27 EU-Staats- und Regierungschefs, sagte Sarkozy.

Der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, Martin Schulz, sagte, Ashton sei "eine gute Wahl" für den neuen Posten der Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik. Sie habe als EU-Handelskommissarin Erfahrung "in sehr komplexen internationalen Verhandlungen". Dass eine Frau den Posten bekommen habe, sei zudem "eine kleiner Ausgleich" dafür, dass in der Kommission Frauen bisher schwach vertreten seien.

Grüne: Neue Spitze ist "glanzlos"

Die Grünen im Europaparlament haben die Besetzung der neuen EU-Spitzenposten als "glanzlos" bezeichnet. Die EU-Staats- und Regierungschefs hätten mit ihrer Personalentscheidung "ihren Kurs der Schwächung der europäischen Institutionen konsequent fortgesetzt", erklärte der Ko-Präsident der Grünen-Fraktion, Daniel Cohn-Bendit, am Donnerstagabend.

Mit dem Belgier Herman Van Rompuy habe Europa nun "einen blassen Ratspräsidenten" und mit der Britin Catherine Ashton "eine unauffällige Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik". Damit sei die EU "auf einem Tiefpunkt angelangt". Cohn-Bendits Kollegin an der Fraktionsspitze, Rebecca Harms, würdigte es aber als "Erfolg" der Forderungen aus dem Parlament, dass es mit Ashton nun doch eine Frau auf einen der beiden Spitzenposten geschafft habe.

Ashton muss noch vom Parlament bestätigt werden

Anders als Van Rompuy muss die designierte EU-Außenpolitikchefin Ashton als Mitglied der EU-Kommission noch vom Europaparlament bestätigt werden. Eine Mehrheit ist ihr aber so gut wie sicher: die 53-jährige Labour-Politikerin kann nicht nur mit der Unterstützung ihrer eigenen Parteifamilie, der Sozialisten, sondern auch der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) rechnen.

Die beiden größten Fraktionen im Europaparlament hatten sich informell darauf geeinigt, dass die Sozialisten den neuen Chefposten für die EU-Außenpolitik besetzen sollten, sofern der Ratspräsident ein Konservativer ist.

Ashton wird neben den Aufgaben des bisherigen EU-Außenbeauftragten Javier Solana auch die Zuständigkeiten der EU-Kommissarin für Auswärtige Angelegenheiten, Benita Ferrero-Waldner, übernehmen.

Zugleich wird sie Vizepräsidentin der EU-Kommission. Ironischerweise erhält die Britin einen Posten, der wegen Widerstands unter anderem der britischen Regierung nicht als EU-Außenminister bezeichnet werden darf. Ihr offizieller Titel lautet Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik.

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15 Kommentare

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  • S
    Sim

    ...ja, war ernst gemeint!

    die Bilder sind alle immer irgendwie so Grützke-mäßig. und gerade das Bild :)

  • S
    samuel

    Hahaha! Die Bildauswahl ist wirklich genial. Das ganze Buero hier hat sich kaputt gelacht!

  • M
    Martin

    Zur Verdeutlichung:

     

    So wie es jetzt ist, daß der Europarat, also die einzelnen Regierungen die Europapolitik bestimmen, ist es undemokratisch. Das wäre so, als wenn wir in Deutschland nur noch die Landtagswahlen ernst nehmen würden und die Ministerpräsidenten untereinander alles auskungeln, der Bundestag wäre nur noch Statist.

     

    Ganz Europa wählt aber das EU-Parlament und solange dieses nicht mächiger ist als die Gesamtheit der Länderregierungen, ist Europa nur Heuchelei. Wer das nicht will, diese Entmachtung der einzelnen Regierungen, der soll so ehrlich sein und Europa ablehnen.

     

    Solange nur der Europarat rumkungelt, brauchen wir doch gar kein Europa, das ginge alles auch mit ganz normalen Verträgen zwischen den Regierungen.

  • M
    Martin

    @ Manu

     

    Stellt sich nur dir Frage, wer hier nicht richtig lesen kann.

     

    Ich habe nicht behauptet, daß die Kommission alleine entscheidet. Ich habe nur festgestellt, daß das EU-Parlament nicht immer zwingend mitentscheidet. Der Europarat dürfte höchtens die Funktion eines deutschen Bundesrates haben. In Deutschland geht nichts ohne den Bundestag, beim EU-Parlament ist dies nicht so in vergleichbarer Weise und das ist das Problem, das ich ansprach.

  • JB
    Joachim Bovier

    Von der englischen Labour-Party kann die deutsche SPD noch viel lernen: Lady Catherine Ashton, eine echte englische Lady und Mitglied des House of Lords auf Lebenszeit als EU aussenministerin zu nominieren schafft den Eindruck von Seriosität, die auch die deutschen Genossen bitter nötig hätten. Doch was machen die? Der balzende brandenburgische Platzhirsch Platzeck und seine singende "Stasi-Kaiserin" sind ja wohl noch peinlicher als es die Männerfreundschaft zwischen Scharping, Lafontaine und Schröder waren, wobei das Dreieicksverhältnis von Gabriel, Steinbrück und Nahles docbh auch sehr an die innige Liebesbeziehung zwischen Prinz charles, Lady diana und Camilla Parker-Bowles erinnert.

  • M
    Manu

    @Martin

    "Die beiden wurden ernannt. Von wem denn? Wer ist legitimiert, das zu tun? Einzig das EU-Parlament sollte die alleinige Macht in der EU haben, denn nur das ist demokratisch gewählt, um für die EU Politik zu machen. Das Parlament sollte diese Ämter und auch die Kommission selbständig bestimmen und wählen. Und nicht solche Typen oder einen Oettinger vorgesetzt bekommen.

     

    Hat denn das Parlament dem Glühbirnenverbot zugestimmt? Nein, allein die Kommission hat das entschieden.

     

    Es gibt also genug Gründe, Europa abzulehnen, so wie es zur Zeit abläuft. Nur schade, daß die meisten die Europa ablehnen, überhaupt keine Ahnung von Europa haben."

     

    Stellt sich nur die Frage, wer hier keine Ahnung hat? Seit wann kann die Kommission Gesetze bzw. Verbote entscheiden? Die Kommission hat zwar das Initiativrecht, abstimmen tut jedoch der Rat (also unter anderem auch die von uns gewählte Bundeskanzlerin) durch qualifizierte Mehrheit. Nach Lissabon wird auch (außer z.b. bei Steuern) das Parlament abstimmen können, so dass ein Konsens zwischen Rat und Parlament gefunden werden muss.

    Im Übrigen wurden der Präsident (des europäischen Rates!) und die hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik vom eben jenem Rat, welcher aus den 27 Staats- und Regierungschefs besteht, ernannt. Da die "Außenministerin jedoch auch gleichzeitig Vizepräsidentin der Kommission wird und somit die Trennung von (unabhängiger (!)) Kommission, Parlament und Rat bei schlechter Amtsausübung in Gefahr ist hat zumindest hier noch das Parlament das Recht auf Bestätigung oder Ablehnung.

     

    Manu

  • T
    Torben

    @Martin:

     

    Schön, dass sich noch jemand über die fehlende demokratische Legitimation entscheidender EU-Organe aufregt, aber leider bist du im gleichen Atemzug einem Etikettenschwindel aufgesessen.

     

    Das sogenannte EU-Parlament vedient diesen Namen nicht, es ist kein Parlament und auch nicht demokratisch legitimiert, nur weil mal ein paar Urnen aufgestellt wurden:

     

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28372/1.html

     

    Zu Herman Van Rompuy würde ich mir eine etwas ausführlichere Vorstellung wünschen, immerhin bekleidet er ein sehr machtvolles Amt in der beängstigend mächtigen und bar jeder demokratischer Kontrole agierenden Europäischen Union.

  • BB
    Bodo Bender

    Zwei klassische Luschen, nahezu ohne Erfahrung, die nicht einmal von innen wahrgenommen werden und nach und von außen die klassische Doppel-Null repräsentieren. Klar gefallen der Merkel die beiden. Die dritte Null, die in dieses Konzept passt, hatte sie ja schon vorher benannt: den nuschel-haspelnden Schwaben Oettinger - mit ebenso viel Europa-Erfahrung wie die anderen beiden, nämlich gegen null tendierend.

  • M
    Martin

    "Jedes Land sollte siegreich aus Verhandlungen hervorgehen"

    27 Länder und 2 Ämter ... aber klar doch.

     

    Die beiden wurden ernannt. Von wem denn? Wer ist legitimiert, das zu tun? Einzig das EU-Parlament sollte die alleinige Macht in der EU haben, denn nur das ist demokratisch gewählt, um für die EU Politik zu machen. Das Parlament sollte diese Ämter und auch die Kommission selbständig bestimmen und wählen. Und nicht solche Typen oder einen Oettinger vorgesetzt bekommen.

     

    Hat denn das Parlament dem Glühbirnenverbot zugestimmt? Nein, allein die Kommission hat das entschieden.

     

    Es gibt also genug Gründe, Europa abzulehnen, so wie es zur Zeit abläuft. Nur schade, daß die meisten die Europa ablehnen, überhaupt keine Ahnung von Europa haben.

  • D
    DreckigerKapitalist

    Haben sich hier eigentlich die Pressefotografen verschworen, oder sehen die wirklich so aus ?

  • R
    redaktion

    Na fein! Da freue ich mich, da ich mir bei der Auswahl schöner Bilder auch echt ein wenig Mühe gebe!

     

    :-)

  • F
    Feinfinger

    Sehr schönes Bild! Auch ich bin ein Bewunderer der taz-Bilder. Aus den Printausgaben habe ich früher sogar welche ausgeschnitten, einen Schnappschuss von Kasparov bspw. als er registriert, dass die Partie verloren geht.

    Diese beiden sehen aus, als wären sie aus Bildern von Manfred Deix in die Realität geflüchtet. Danke und weiter so, liebe taz, eine Zeitung muss auch visuell ansprechen.

  • K
    Kommentator

    @Sim, Redaktion:

     

    Ich glaube der Gedanke ging vielen durch den Kopf.

    Schon irgendwie witzig und ausgefallen die Mimik der beiden "Charme-Sprüher".

     

    In etwa so wie die Leute in Hiero Boschs Werken:

    http://geopolicraticus.files.wordpress.com/2009/04/bosch-cross.jpg

     

    Finde solche Bilder cool, weil sie auch so etwas über die Dargestellten aussagen (grimmiger Gesichstausdruck, Kälte...).

     

    Kommentator.

  • R
    redaktion

    Ist das ernst gemeint? Wenn ja: Danke.

     

    So oder so: Es gab von den beiden nicht viele andere, die unsere Formatvorgaben erfüllten.

  • S
    Sim

    Liebe Taz,

     

    vielen Dank für die immer gelungenen und meist sehr erheiternde Auswahl der Bilder!

     

    Diese hier ist das Beste was ich jemals gesehen habe! Ich dachte immer sowas können nur einige Leute Malen, aber scheinbar gibts das wirklich....