piwik no script img

Neue Bahnstrecke Paris-LondonAuf "High Speed 1" an die Themse

Eine neue Bahnstrecke zwischen London und Paris verkürzt die Fahrtzeit auf zwei Stunden und 15 Minuten. Aber gleich bei der Eröffnung wird gestreikt.

Nachdem nun die britische Teilstrecke fertig gestellt wurde, sind es nur noch 510 Eisenbahnkilometer zwischen Paris-London. Bild: dpa

Dreizehn Jahre nach der Einfahrt des ersten "Eurostars" verlässt am Dienstag der letzte Hochgeschwindigkeitszug in Richtung Europa die Gleise von Waterloo. Anschließend wird der Londoner Bahnhof, dessen Name an die Niederlage von Napoleon erinnert, wieder in der regionalen und nationalen Versenkung verschwinden. Denn am Mittwoch beginnt ein neues Kapitel in der britischen Eisenbahngeschichte. Nach jahrzehntelangem Stillstand des technologischen Fortschritts geht die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke auf der Insel in Betrieb. "High-Speed-1", die am Ausgang des Kanaltunnels beginnt und auf 109 schnurgeraden Kilometern durch Kent und unter der Themse durch nach London führt, endet in dem dafür komplett modernisierten viktorianischen Backsteinbahnhof St Pancras. Auf einen Schlag rücken sich London und der Kontinent morgen 20 Minuten näher.

Der Ausbau des britischen Stücks der Eurostar-Strecke vom Tunnelausgang bei Folkestone, über Ashford und Stratford, wo der Bahnhof im Jahr 2012 die Olympiastadien anfahren wird, nach London war einer der teuersten der Eisenbahngeschichte. Insgesamt hat er 5,8 Milliarden Pfund (rund 8,3 Milliarden Euro) gekostet und mehr als zehn Jahre gedauert. "High-Speed 1" war damit teuer, länger und komplizierter als der Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken in dem relativ dünn besiedelten und zentralisierten Frankreich, wo die Streckenführung von Hochgeschwindigkeitsstrecken und die Enteignung von LandbesitzerInnen auf Pariser Reißbrettern entschieden werden können.

Die neue Stecke verkürzt die Fahrzeit auf den 510 Eisenbahnkilometern zwischen London und Paris auf 2 Stunden und 15 Minuten. 15 Züge werden täglich zwischen St Pancras und der Gare du Nord verkehren. Jeder mit 18 Waggons und insgesamt so vielen Sitzplätzen wie in einer Boeing: 762. Ab Februar 2008 sollen zwei weitere Züge pro Tag die Stecke befahren. Schon jetzt sind viele Pendler zwischen London und Paris vom Flugzeug und von der Fähre in den Zug umgestiegen. Eurostar-Chef Guillaume Pepy geht davon aus, dass dieser Trend anhalten und sich verstärken wird: "Bei einer Fahrzeit von zweieinviertel Stunden kann man am selben Tag hin- und herfahren".

Anders als in den Anfängen der Eisenbahngeschichte, als die Technologie von der Insel nach Frankreich kam, stammt die aktuelle Modernisierung komplett aus Frankreich: Nicht nur die Züge, sondern auch ihr Management. Der Eurostar funktioniert nach dem französischen Reservierungssystem: Nur wer eine Platzreservierung hat, kann ihn benutzen. Dieses System führt auf der Eurostar-Strecke zu einer Auslastung der Sitzplätze von 75 Prozent in der zweiten und 60 Prozent in der ersten Klasse. Das ermöglicht eine Preispolitik, die die französische Bahn von den Fluggesellschaften kopiert hat. Für die Strecke zwischen London und Paris kassieren sie - im selben Zug - zwischen 77 und 589 Euro. Der Preis richtet sich nach Zugklasse, Reservierungszeitpunkt und Umtauschbedingungen. Ein ähnliches System hatte vor einigen Jahren auch die Deutsche Bahn eingeführt, musste dies aber nach heftiger Kritik wieder zurücknehmen.

Die Premiere der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke wird allerdings von einem Problem begleitet, mit dem Bahnkunden zur Zeit öfter zu kämpfen haben. Bevor der Eurostar aus Paris in St Pancras einfahren kann, muss er die Hürde eines nationalen Transportstreiks in Frankreich überwinden. Die Lösung: Die Betreibergesellschaft setzt Personal aus Belgien und England ein. Schließlich verpflichtet der Name des Eurostar-Bahnhofs in London. Der Name des heiligen Pankratius, bedeutet: der alles Besiegende. Doch das Schicksal des römischen Märtyrers im dritten Jahrhundert unserer Zeit war brutal. Der kleine Pankratius wurde im Alter von 14 Jahren enthauptet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!