Neue Amazon-Serie „You Are Wanted“: Hackin' all over the world
Die erste deutsche Amazon-Serie „You Are Wanted“ mit Matthias Schweighöfer ist spannend. Sie strotzt aber vor Klischees.
![Matthias schweighöfer hält sich ein Handy ans Ohr, im Hintergrund steht eine große Kamera Matthias schweighöfer hält sich ein Handy ans Ohr, im Hintergrund steht eine große Kamera](https://taz.de/picture/1863130/14/08df27ac55a71fb9a83205bfd5311e2b_edited_65594840_6d735c2804.jpeg)
Früh finden sich gängige Schweighöferismen: Der Blick auf den Berliner Fernsehturm, ein glückliches Paar mit knuffigem Kind, dazu Popgedudel aus dem Off. Startet hier eine neue Kommerzkomödie? Nein, ein Thriller respektive die erste deutsche Amazon-Originals-Serie „You Are Wanted“ entspinnt sich. Matthias Schweighöfers Firma Pantaleon Films hat sie gemeinsam mit Warner Brothers produziert. Er selbst spielt die Hauptrolle und führt Regie.
Die Harmonie weicht einem Stromausfall. Im Büro des Hotelmanagers Lukas Franke (Schweighöfer) erlöschen Neonröhren und Bildschirmbeleuchtung. Anzugträger mit Taschenlampen versammeln sich im Hochhaus, wirken unruhig bis aggressiv – den Reaktionen nach zu urteilen hat der gemeine Berliner noch nie einen Stromausfall erlebt. Ein Brillenträger hat sich im Dunkeln verletzt, blutet stark, fordert Entschädigung. Franke gibt ihm Visitenkarte samt E-Mail-Adresse. Wenig später stellt er fest: „Ich wurde gehackt.“ Irgendwer stiehlt seine Identität und rückt ihn gar in den Fokus des BKA.
Klingt spannend. Ist es auch. Nur leider sorgt „You Are Wanted“ aller Pulsförderung zum Trotz permanent für Déjà-vu-Erlebnisse. Zumindest die ersten beiden Folgen, die man der Presse vorab zeigte. Da hustet die abgehalfterte, dauerrauchende Ermittlerin; taucht ein Typ „plötzlich“ auf der Rückbank eines Autos auf; erinnern Verhöre an „True Detective“ – „die haben wir bewusst als Hommage inszeniert“, verrät Schweighöfer. Hommage, Anlehnung, Kopie – wie man’s halt nennen möchte.
Auch grenzplausible Entwicklungen und Klischees bar ironischen Bruchs lassen stöhnen: Der scheinbar allmächtige Hacker verschafft sich nicht nur Zugang zu Frankes Computer, Smartphone und Tablet, sondern auch zu Stromnetzen, Aufzügen und allen Kameras auf der Welt – here we go, hackin’ all over the world. Frankes Ehefrau (Alexandra Maria Lara) gewahrt die Cyber-Angriffe eigenen Auges, zweifelt aber dennoch am Gatten. Und selbiger lässt sich mit einem Karton unbekannten Inhalts in ein Flugzeug schicken.
Kein Imagewandel für Schweighöfer
Die Amazon Studios haben die Serie en passant für die anglo-, franco-, hispano- und italofone Klientel synchronisieren lassen. Arno Strobel schrieb den zugehörigen Roman, Dietmar Wunder (deutsche Stimme Daniel Craigs) sprach das Hörbuch ein. Wie man Produkte vermarktet, weiß man. Ebenso Schweighöfer, der seinen Fans ja jüngst sogar ein Album mit dem Titel „Lachen Weinen Tanzen“ verkaufen konnte.
Apropos: Verkaufsprofi und „Cobra 11“-Kommissar Tom Beck gibt den aufdringlichen Karrieristen und Kollegen von Frau Franke. Im echten Leben lässt er als Manager bekanntlich YouTube-Stars wie Bianca Heinicke teuren Tand an Teenager verticken. Katrin Bauerfeind und Karoline Herfurth bekommen im ersten Drittel der sechsteiligen Staffel wenig Szenenzeit.
Einen Imagewandel beschert die Zusammenarbeit mit Amazon Matthias Schweighöfer also wohl nicht. Anständige Kritiker rügen ihn immer wieder dafür, dass er nur noch gewinnbringende, aber anspruchslose Werke erschafft, seit er eines unheilvollen Tages Til Schweiger begegnete. Er steht dazu: „Als ich 2011 die Firma (Pantaleon Films, Anm.) gegründet habe, war klar: Wir machen vorerst Mainstreamfilme, um ein gewisses Polster aufzubauen, damit man sich Experimente leisten kann.“ Auf die wartet man noch.
Keine Frage: „You Are Wanted“ ist solide produziert, ordentlich inszeniert und die Akteure mimen gekonnt. Originalität und Kreativität lassen sich aber nicht so einfach kaufen.
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