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Netzsperren in der TürkeiTürkei blockt Google und Facebook

Türkisches Google und Facebook gesperrt? Offiziell geht es um Steuereinnahmen – ungewöhnlich sind Netzsperren in der Türkei allerdings nicht.

Türkischer Staatspräsident Abdullah Gül: Eigentlich kein Freund von Netzsperren? Bild: dpa

ISTANBUL taz | In den letzten Tagen sorgte in der Türkei die Sperrung von Facebook und diverser Google-Dienste für Aufregung.

Während YouTube seit 2008 immer mal wieder blockiert wurde, weil dort Videos zu sehen waren, die entweder den Republikgründer Atatürk oder den Propheten Mohammed verunglimpften, war die vorübergehende Sperre von Facebook neu. Das soziale Netzwerk ist mit rund 20 Millionen Nutzer in der Türkei sehr populär.

Zwar funktionierten Donnerstag Mittag sowohl die vorher gesperrten Google Dienste wie Books, Analytics, Translate und Docs, als auch Facebook wieder. Zuvor hatte es lediglich geheißen, der Zugang zu Facebook sowie zu einzelnen Google-Diensten sei aus "rechtlichen Gründen" gesperrt.

Dieses Mal steckt angeblich keine politische oder religiöse Auseinandersetzung dahinter – die Türkische Telekommunikationsbehörde soll Google dazu aufgefordert haben, in der Türkei eine Niederlassung zu gründen und zukünftig in dem Land auch Steuern zu bezahlen.

Angesichts der hohen Nutzerzahl entgehen dem Staat rund 16 Millionen Euro pro Jahr an Steuern. Offiziell gab es zu der vorübergehenden Sperre keine Erläuterung. Der Internetdienst digiweb.excite.de berichtete am Donnerstag, die Drosselung von Google-Diensten würde laut Kommunikationsministerium beendet werden, wenn Google seine Einnahmen im türkischen Markt versteuern würde. Dass die Seiten jetzt wieder funktionieren, ist für die Nutzer in der Türkei auch keine große Beruhigung, weil niemand weiß, ob sie nicht demnächst wieder blockiert werden. Politische, besonders missliebige kurdische Seiten, die der PKK zugeordnet werden, sind in der Türkei sowieso gesperrt.

Diese Willkür im Netz passt ganz und gar nicht zu dem Anspruch der Türkei, sich zunehmend als Markt für Hightech-Unternehmen zu profilieren. Die Türkei wird 2011 Partnerland der Cebit und des IT-Interessenverbandes Bitkom sein. Einschränkungen im Internet widersprechen dem erheblich.

Das wird offenbar auch an höchster Stelle so gesehen. Der türkische Präsident Abdullah Gül hat kürzlich einen Twitter Account eröffnet und daüber mitgeteilt: "Ich will nicht, dass die die Türkei zu den Ländern gehört, die Google sperren."

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9 Kommentare

 / 
  • E
    Endter

    Eine in der Türkei lebende Bekannte schreibt mir heute zu obigem Artikel:

    "Definitiv gelogen! Weder facebook noch Google waren oder sind gesperrt in der Türkei. Das hätte ich wohl am ehesten bemerkt."

     

    Qualitätsjournalismus?

  • M
    MannOMann

    Ich frage mich wirklich, ob hier unter den Kommentatoren ein größerer Anteil an israelischen Agenten oder deutschen Rechtspopulisten unterwegs sind :/

     

    Ein interssantes Zeil gibt die taz ja nun wirklich ab, oder?

     

    Sobald ein Bericht die Türkei betrifft, durchläuft meine Reaktion - nach dem Lsesen der Kommentare - von unglaublichem Staunen bis zum unerklärlichem Kopfschmerz alle Facetten.

  • H
    Hagen

    Ist doch klar, Ihr linken Moslem/Türkeifreunde.

    Jetzt wo die Lüge über Israels berechtigter Kaperung der der sog. "Friedensflotille" auffliegt und man sieht, dass fast nur verdammte moslemisch-türkische Etremisten an Bord waren, wird Google und Facebook gesperrt.

    Erdogan, dieser Ausbund an Demokratie, kann Wahrheiten doch nicht zulassen. Genauso wie die "taz", die meinen Kommentar auch nicht veröffentlichen wird. Ganz nach kommunistischem Vorbild.

  • E
    Estanboli

    tjah leute wenn die EU den türken den rücken kehrt ist das die konsenkvenz, warum wundert ihr euch überhaubt, die Türkei muss auflagen erfüllen damit sie in die EU kommen doch jetzt ist erst mal rumenien und bulgarien drann, LÄCHERLICH und eine verhöhnung des Türkischen staates....

  • R
    Roland

    Alles getürkt?

    Wen wundert‘s? Seit die, im wahrsten Sinn des Wortes getürkten Reuters Bilder aufgeflogen sind, Erdogan sowieso mehr auf der Seite der Iraner steht, die EU ihm nicht zu Füßen liegt, kann man auch verstehen, dass Erdogan auf iranische Weise reagiert und diese westliche Scheiße blockt.

    Die Reuters Bilder:

    http://littlegreenfootballs.com/article/36511_Turkish_Journalist_Who_Took_Cropped_Photos_Tied_to_IHH

  • NF
    ned flanders

    Alles nur, weil die Türkei noch kein Eu-Mitglied ist. Eigentlich haben wir Schuld an den Sperren.

  • R
    Roland

    Chinesisch-iranische Verhältnisse!

    Erdogan zeigt sein wahres Gesicht. Inzwischen macht er keinen Spagat mehr zwischen Europa und Iran. Er hat sich klar auf die andere Seite gestellt. Quo vadis Türkei?

  • J
    Jonny

    George Clooney ist der türkische Staatspräsident?

    Da muss man nur mal 2 Tage nicht online sein, und schon so was.

  • F
    futurista

    Guter, sachlicher Beitrag mit Hintergrundwissen!