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Netzschlacht um WikileaksSchlag auf Schlag im Info-Krieg

Der Kampf um Wikileaks im Netz wird heftiger. Websites stehen unter Beschuss, ein Hacker wurde verhaftet, Twitter und Facebook gehen gegen die Aktivistengruppe Anonymus vor.

Anlass großer Unruhen: Wikileaks. Bild: imago / mika

In den Niederlanden ist ein 16-jähriger Jugendlicher festgenommen worden, der im Zusammenhang mit Wikileaks einen Hacker-Angriff auf die Internetseiten von MasterCard und Visa gestartet haben soll. Er habe bereits gestanden, teilten die Behörden am Donnerstagabend in Den Haag mit. Der junge Mann sei vermutlich Mitglied einer größeren Gruppe von Hackern, die im Netz Unternehmen angegriffen haben, die sich von Wikileaks distanziert haben. So habe die Hackergruppe Anonymus ihren Teil zum derzeit laufenden Info-Krieg beigesteuert.

Das Motto dieses Datenkrieges stammt von John Perry Barlow, Althippie, Online-Pionier und Gründer der Online-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation: "Der erste ernsthafte Infowar läuft nun. Das Schlachtfeld ist WikiLeaks. Ihr seid die Truppen", schrieb er am Freitag der vergangenen Woche.

Die Gefechte der vergangenen Tage waren beachtlich. Kurz nach der Verhaftung von Wikileaks-Chef Julian Assange vor zwei Tagen startete Anonymous mit der Aktion "Avenge Assange". Die lose Aktivistengruppe, die vorher schon im Netz gegen Scientology kämpfte, ging mit einer Distributed-Denial-of-Service-Attacke (DDoS) gegen den Kreditkartenanbieter Mastercard vor. Die Website fiel daraufhin zeitweilig aus. Bei einem DDoS-Angriff werden Server mit Anfragen überflutet, manchmal solange, bis sie zusammenbrechen.

Am Donnerstag gingen die Aktionen weiter - unter anderem gegen Visa, PayPal und Amazon, die ebenfalls Wikileaks die Zusammenarbeit mit teils fadenscheinigen Begründungen gekündigt hatten. Die Website von Sarah Palin, die Assange für einen Terroristen hält, wurde genauso attackiert wie die des US-Senators Joe Liebermann, der den Wikileaks-Gründer gerne wegen Spionage verurteilt sähe und auf Firmen Druck gemacht hatte, die Kooperation mit Wikileaks zu beenden. Der Schweizer Bankkonzern PostFinance, der Assanges Konto gekündigt hatte, war für Online-Banking-Kunden zwischenzeitlich nicht zu erreichen.

Anonymous und andere Aktivistengruppen organisierten sich untereinander lose, taten sich zu "freiwilligen Botnetzen" zusammen und gaben ihre Maschinen für DDoS-Angriffe frei. Der Gefahr, wegen Computersabotage vor Gericht zu kommen, ist man sich durchaus bewusst. Die Strategie ist einfach und erfolgreich: Es reichen bereits einige Tausend Rechner, um schwere Server-Blockaden hervorzurufen.

Unterdessen machten sich die Online-Netzwerke Twitter und Facebook bei den Aktivisten unbeliebt. Bei Twitter wurde der Account von Anonymous, der der Koordinierung diente, ohne genaue Begründung gesperrt, während auf Facebook eine Gruppe gelöscht wurde. Das tat den Aktivisten nicht sonderlich weh: Innerhalb kürzester Zeit tauchten Ersatz-Accounts auf. Immerhin: Die Wikileaks-Accounts bei Facebook und Twitter blieben bislang unangetastet.

In diesem Infowar gibt es auch Kollateralschäden zu beklagen. EasyDNS, ein kanadisches Unternehmen, das mit dem Abschalten der Wikileaks-Domain vor einigen Tagen nichts zu tun hatte, bekam den Hass einzelner Nutzer auf Twitter und Facebook zu spüren. In den Medien hatte es zuvor einen schlichten Tippfehler gegeben. Aus "EveryDNS" im "Guardian", in der "New York Times" und diversen anderen bekannten und weniger bekannten Publikationen war "EasyDNS" geworden.

Firmenmanager Mark Jeftovic versuchte verzweifelt, Richtigstellungen in den Medien zu platzieren und antwortete zeitweilig auf jedes einzelne Twitter-Posting. Schließlich kam im EasyDNS-Blog die Frage auf, wie das Unternehmen, das Internet-Adressen verkauft und managt, selbst mit Wikileaks als Kunden umgegangen wäre. Darauf fand Jeftovic nur eine Antwort: Wenn technische Dinge geklärt seien, um eventuell erfolgende Angriffe abzuwehren, sei das durchaus möglich.

Wie das Leben manchmal spielt, gab es zumindest in diesem Fall ein Happy End: EasyDNS gehört zu den Firmen, die dafür sorgen, dass "wikileaks.ch", die aktuelle Hauptadresse des Projekts, weiter online ist. Auch "wikileaks.org", jene Domain, die EveryDNS abgeschaltet hatte, werde er bei Bedarf gerne übernehmen, sagte Jeftovic, der seine Systeme zusätzlich absichern ließ. Momentan gebe es hier aber noch Zuständigkeitsprobleme.

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17 Kommentare

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  • A
    anonmattdamon

    Das waren keine "Aktivisten" von Anonymous. Das waren kleine Kinder von Ebaumsworld. Rule 1 & 2 - mehr muss ich dazu nicht sagen.

  • IR
    Ingo Reichardt

    Wenn der Spiegel ein Nachrichtenmagazin ist, dann ist der Playboy ein Mitteilungsblatt des Heiligen Stuhls. Heiner Geißler aus http://goo.gl/ucO4c

  • JK
    Juergen K

    "Hackerparagrafen" gehören geprüft.

     

    Wenn ALDI früher PC Angebote hatte und wahre Volksstürme sich in die Filialen ergossen,

     

    oder der Sommerschlussverkauf eingeläutet wurde,

     

    handelte es sich nicht um Attacken.

     

    Filialen und Läden konnten dem Ansturm standhalten oder auch nicht.

     

    Wenn ich also 100 000 mal die Webseite von irgendwem auf meinem PC öffnen will,

     

    kann der Webserver das lewisten oder eben nicht.

     

    Ich sehe da keinen Unterschied.

  • OO
    Opitz Oliver

    Der Artikel verdient nicht der großen Worte. Leider wiedermal einfach nur daneben.

     

    https://secure.avaaz.org/de/eu_gmo/95.php?CLICKTF

     

    "Die Welt hat Glück, dass Avaaz für eine bessere Zukunft arbeitet, indem sie es mit den Bösewichtern von heute aufnimmt! "

    –Phil Kline, USA

  • A
    A.W.G.

    die taz hat meinen kommentar auch nicht veröffentlicht.

  • H
    Hagbart

    Wenigstens hier werden die Kommentare zu Wikileaks nicht einseitig wegzensiert, wie jetzt ganz massiv in der ZEIT-Online. Da wird sogar von der Redaktion behauptet, alleine das Herunterladen von LOIC sei schon strafbar. Obwohl das doch eigentlich nur eine Oberfläche für den Ping Befehl ist. Die deutsche Medienlandschaft wurde zum großen Teil schon von dem üblen Kriegsverbrecherregime jenseits des Teichs übernommen. In den Nachrichten werden Fakten ganz bewusst verdreht dargestellt. Mir ist übel.

  • B
    bobinbrooks

    Den Artikel im Spiegel habe ich gelesen. Meine Reaktion war: "Welch ein überschätzter Schwachsinn". Eigentlich hätte ich mir ja denken können, dass der Spiegel seiner üblichen Einschätzung folgt, die Leser wollten dringend Politiktratsch und Klatsch und Gala für Bildungsbürger sei das Einzige was in Deutschland als Politmagazin zulässig sei.

     

    Dann erfuhr ich WELCH brisanten Dokumente von wilileaks veröffentlicht wurden und ich wundere mich nicht, dass es nun sie vom Netz ist.

     

    Ich möchte bitte in Zukunft lieber eine Find- bzw. Suchanleitung für wikileaks statt einer Spiegel Zensur.

  • K
    Kai

    Die bundesdeutschen zentral geregelten Medien haben ein Problem mit Wikileaks. Wikileaks zeigt, was die geregelten deutschen Medien NICHT leisten.

  • T
    tagesentscheider

    Eure "Entscheidung des Tages" liegt leider ganz schön daneben. Wischi-waschi-Abstimmung auf Dilettanten-Niveau. Im Übrigen sind diese Angriffe nicht kriminell, wie @egal ganz richtig anmerkt. Nur weil die Hackerattacken nicht wie zwei Wochen vorher von Regierungsstellen kamen (da ging es GEGEN Wikileaks), ist es nicht auf einmal eine Straftat. Bei der Castor-Berichterstattung hätte sich ja sonst auch ein jeder strafbar gemacht, der die atz-Seite aufrief und sie vorübergehend lahmlegte.

    Also lasst mal die Kirche im Dorf und überlegt, was hier eigentlich geschieht: Ein politisch Missliebiger (ich finde die Person Assange etwas merkwürdig, aber darum geht es nicht) wird zumindest unter zweifelhaften Umständen verhaftet, während medial bereits daran gebastelt wird, Leute wie Wikileaks-Aktivisten auf dieselbe Stufe wie den gemeinen Sprengstoffgürtelträger zu stellen. International operierende Konzerne, die sonst als so schwer beherrschbar gelten, schalten auf höchste Anweisung brav alles ab, was die Behörden verlangen. Die Staatsmacht hat nix Besseres zu tun, als Teenager zu verhaften, die dann wohl als "Mitglied einer terroristischen Vereinigung" angeklagt werden?! Also wem bei so einer Geschichte nicht die Ohren klingeln, der muss schon arg abgestumpft sein.

  • E
    Egal

    Bitte um neutralere Berichterstattung. Es wurde kein Hacker verhaftet, es wurde ein Anwender verhaftet, der sich ein Programm aus dem Internet geladen hat, welches Internetseiten aufruft. Wenn dies ein Hacker ist, dann ist fast jeder der einen Computer benutzt und weiss wie er ein Programm installieren kann ein Hacker.

     

    Nebenbei gibt es laut Wikipedia folgenden Unterschied zwischen einem DDoS Angriff und einer Internetdemostration: der DDoS Angriff nutzt ferngesteuerte Rechner, deren Besitzer vom Angriff nichts wissen. Daher ist er verboten. Bei der Internetdemonstration rufen viele Nutzer gleichzeitig wissentlich von ihrem Computer aus eine Webseite auf.

     

    Eine Internetdemostration ist nicht verboten. Daher sollte die Empörung auf der Verhaftung eines minderjährigen Internetdemostrationsteilnehmers liegen

  • C
    Claus

    Sorry, aber diese ScriptKiddie-Aktionen von "Anonymous" sind doch kontraproduktiv: Sie lenken vom eigentlichen Thema ab, und sie liefern dazu noch einen bequemen Vorwand für alle, die Wikileaks in die kriminelle Ecke rücken wollen.

     

    Viel interessanter ist doch die Frage, wie es mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Assange weitergeht. Immerhin sind sie der Vorwand dafür, ihn erstmal ins Gefängnis zu werfen (um ihn dann vielleicht an die USA ausliefern zu können).

     

    In diesem Zusammenhang interessant: Die Haupt-Belastungszeugin hat angeblich Schweden inzwischen verlassen. Und sie scheint in der Vergangenheit regelmäßig für die Anti-Kuba-Propaganda der USA/CIA tätig gewesen zu sein. Ziemlich seltsamer Zufall.

     

    http://qwstnevrythg.com/2010/12/anna-ardin-cia-2/

    http://www.crikey.com.au/2010/12/09/rundle-r-pe-case-complainant-has-left-sweden-may-have-ceased-co-operating/

  • S
    shenanigans1983

    SPON und den Spiegel habe ich nicht mehr gelesen, seitdem sie vor etwa zwei Jahren von mir mehrere Einträge nicht veröffentlichten, die anscheinend irgend einem Redakteur gegen den Strich gingen. Seitdem lese ich als deutsches Medium nur noch die taz und ab und an die SZ.

     

    Den Spiegel ernst nehmen konnte ich noch nie wirklich. Der Größenwahnsinn, der in deren Redaktionsräumen herrschen muss und die typische Spiegelpolemik, die jeden Artikel durchtränkt sind unerträglich. Insbesondere der Spiegel in Englisch ist ein Graus, nicht nur sprachlich, sondern auch im gesamten Stil. 'Wir sind die Größten', denken sich da Broder und Kumpanen in Hamburg und sind anscheinend der festen Überzeugung, sie könnten sich mit Blättern wie dem Guardian oder der New York Times messen. Einfach nur peinlich ist das dann noch, dieses Provinzblatt aus Toitschland, aber doch gelegentlich amüsant wie sehr sie sich überschätzen...

  • F
    Frank

    @Mark: Woher weißt Du das? Von den Webseiten der Scientologen? Die Wahrheit sieht ein wenig anders aus, Anonymous ist ein loser Zusammenschluss unterschiedlichster Leute, unter anderem Computerfreaks, aber nicht nur. Und gerade das Beispiel Scientology macht deutlich, wie viel Zeit und Mühe mancher dort hinein steckt. Es geht um Freiheitsrechte und die werden verteidigt. Ddos ist nicht das beste Mittel, aber Gegenwehr muss sein.

    Solche Kommentare in einer Zeitung, die doch eigentlich für Bürgerbewegung stehen will, das ist peinlich.

  • T
    Testdummy

    @Mark:

    "mehrfach zu Bewährungsstrafen und Schadenersatz verurteilt worden. Diese Typen sind gelangweilte Computerfreaks, die sich einbilden Robin Hood zu spielen. Viele von denen sind sehr jung, so wie die in den USA Verurteilten."

    Da bin ich mir nicht so sicher.. ;-)

  • M
    Mark

    Sogenannte "Aktivisten" von Anonymous sind bereits mehrfach zu Bewährungsstrafen und Schadenersatz verurteilt worden. Diese Typen sind gelangweilte Computerfreaks, die sich einbilden Robin Hood zu spielen. Viele von denen sind sehr jung, so wie die in den USA Verurteilten. Die merken gar nicht, dass sie mit ihren Aktionen den Regierungen die Argumente für mehr Überwachung liefern. Die machen Krieg. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie gezielt dazu angestiftet werden.

    Die Regierungen werden als Antwort natürlich aufrüsten und zurückschlagen. So wie in jedem Krieg. Die Frage ist nur, wem nützt es?

  • C
    Chris

    @angel19:

    "Wo bleibt die Verpflichtung zu neutraler und seriöser Berichterstattung beim Spiegel?"

     

    Seid wann ist der Spiegel wieder oder erstmalig neutral und seriös?

  • A
    angel19

    visa.de war heute Nacht gehackt. Die Startseite zeigte den im Netz gängigen Dummy-Text "Lorem ipsum ...".

     

    Mindestens von gestern abend 21 Uhr bis heute morgen 5 Uhr.

     

    Und: Der Spiegel zensiert in seinem Online-Forum solche Meldungen. Eine Meldung dort mit analogem Inhalt zu dieser hier wurde nicht veröffentlicht. Wo bleibt die Verpflichtung zu neutraler und seriöser Berichterstattung beim Spiegel?