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Netze für die EnergiewendeFehlende Kabel

Schleswig-Holstein und Netzbetreiber Tennet finden, sie seien im Zeitplan beim Bau der Leitungen. Erste Investoren aber stellen den Ausbau der Offshore-Windenergie in Frage.

An solchen Kabeln hängt die Zukunft: Seekabel für Offshore-Windparks warten auf einem Ponton auf ihre Verlegung im Meer. Bild: dpa

HAMBURG/KIEL taz | Das Land hat die Segel gesetzt, nur auf See herrschte Flaute: Der Ausbau der Netze, mit denen Windstrom aus Schleswig-Holstein in den Süden geleitet werden soll, geht in unterschiedlichem Tempo voran. So verkündeten am Montag Tamara Zieschang (CDU), Energie-Staatssekretärin des Kieler Wirtschaftsministeriums, und Christian Schneller vom Netzbetreiber Tennet, Schleswig-Holstein sei "voll im Zeitplan" bei der Planung der Leitungen, die den Strom aus den Windparks an Land ableiten sollen. So soll im Jahr 2015 der erste Spatenstich für die "Stromautobahn" genannte 380-Kilovolt-Trasse an der Westküste erfolgen.

Schwieriger ist es mit dem auf See - offshore - erzeugten Strom. Für diese Netzanschlüsse ist der Bund zuständig. Der Strom aus der Nordsee soll über Brunsbüttel an Land gehen, sagt Schneller: "Aktuell laufen die Verfahren." Der Bund habe eine Novellierung des Ausbaugesetzes angekündigt. Richtig hoffnungsvoll klang Schneller aber nicht: Versuche, die Planfeststellungsverfahren zu beschleunigen, habe der Bund schon mehrfach unternommen.

Inzwischen hat die Unsicherheit, ob die Kabel bereit liegen, schon dafür gesorgt, dass die Betreiber von Offshore-Windparks den Ausbau herauszögern. So hat RWE Innogy, die Windstrom-Tochter des Essener Energiekonzerns RWE, angekündigt, die Arbeiten am Windpark Nordsee Ost nördlich von Helgoland um etwa ein Jahr zu strecken. Der vorgesehene Ausbau der Windenergie vor der deutschen Küste bis 2020 auf 10.000 Megawatt Leistung sei "auf keinen Fall" mehr erreichbar, sagt Finanzchef Hans Bünting.

Offshore-Windparks

Offshore-Windparks und Netzleitungen müssen vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg genehmigt werden. Der aktuelle Stand:

Ostsee: Genehmigt sind drei Windparks, Baubeginn für den ersten - Baltic 2 - soll am 30. Juni 2012 sein.

Nordsee: Genehmigt sind 24 Windparks. Im Bau oder Testbetrieb sind drei: Alpha Ventus, Bard und Borkum West.

Netzanbindungen: Genehmigt und im Bau oder in Bauvorbereitung sind die Kabelstrecken vom Windpark Borkum West nach Emden sowie für die Windparks Amrumbank West, Nordsee Ost und Sandbank 24 nach Büsum. Drei weitere Trassen sind im Genehmigungsverfahren.

Die Kosten für den Verzug am Windpark Nordsee Ost beziffert Bünting auf 100 Millionen Euro. Er will Schadenersatzforderungen prüfen lassen. RWE lege seine Offshore-Pläne jedoch nicht auf Eis, er rechne mit der Errichtung der ersten Fundamente im Sommer. Geplant war der Baubeginn im Herbst 2011. Auch den Windpark Nordsee 1 vor Juist verfolge RWE weiter. Bünting hofft auf die Baugenehmigung "noch in diesem Quartal".

Der Windpark Amrumbank West des Energiekonzerns Eon soll von Tennet nach derzeitigen Stand mit rund 15 Monaten Verspätung angeschlossen werden, sagte Mike Winkel, Chef der Sparte "Climate & Renewables" bei Eon. Nach Abschluss der laufenden Projekte befürchtet Eon, dass Offshore-Windkraft in Deutschland sogar zum Erliegen kommen könnte: "Für die Zeit nach 2015 bin ich pessimistisch, wenn sich nichts ändert", sagte Winkel. Die Netzbetreiber hätten sich selbst über- und die Probleme unterschätzt.

Beide Konzerne und auch Tennet fordern von der Politik verlässlichere Rahmenbedingungen. Ohne Rechtssicherheit und belastbare Regelungen für den Fall eines verspäteten Netzanschlusses "werden wir keine weiteren Bauentscheidungen treffen", sagt Bünting.

Angesichts dieser Probleme lobte Schneller umso mehr das Tempo in Schleswig-Holstein. Wichtigster Punkt sowohl für ihn als auch für Zieschang ist, dass die Betroffenen - alle, die im Umkreis der neuen Trassen wohnen - rechtzeitig eingebunden werden. Dazu fanden in den vergangenen Monaten mehrere Regionalkonferenzen statt. Denn, so der Dithmarscher Landrat Jörn Klimant: "Latent ist Stuttgart überall" - daher sei "Bürgerbeteiligung der Schlüssel", um Proteste gegen die Trassen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Die Anwohner sollen auch finanziell mitbeteiligt werden: Nach dem Modell der "Bürgerwindparks", bei dem eine Dorfgemeinschaft in die örtlichen Rotoren investieren und Gewinne erzielen können, sollen Anteile an den Trassen verkauft werden. Rund 700 Kilometer Netze sollen im Land entstehen, die Investitionskosten liegen bei einer halben Milliarde Euro. Die Renditeerwartung sei nicht so groß wie bei Windparks, gab Schneller zu. "Aber es ist ein sicheres Geschäft aus Anlegersicht."

Die Idee der Bürger-Netze hatten die Grünen im Kieler Landtag im vergangenen Jahr vorgestellt, entsprechend freute sich der Abgeordnete Detlef Matthiessen über den "Rückenwind".

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