Netzaktivist aus Syrien: Der doppelt Verschwundene
Bassel Khartabil arbeitete an Firefox und Wikipedia mit. Das syrische Regime warf ihn ins Gefängnis. Nun soll er zum Tode verurteilt worden sein.
Er war einer der führenden Köpfe unter den Netzaktivisten in Syrien. War – nicht weil das Todesurteil bereits vollstreckt wurde, sondern weil das Assad-Regime Bassel Khartabil auf anderem Weg längst zum Schweigen gebracht hat. Schon seit dem 15. März 2012 sitzt der mittlerweile 34-Jährige im Gefängnis. Nun soll er zum Tode verurteilt worden sein.
Seine Frau Noura Ghazi, die noch immer in Damaskus lebt, schrieb auf Facebook: „Ich habe soeben verstörende und schockierende Nachrichten erhalten, dass Bassel zum Tode verurteilt worden ist […] Möge Gott ihm helfen. Wir hoffen, dass es noch nicht zu spät ist.“ Sie habe von den syrischen Behörden von dem Urteil erfahren.
Dass Khartabil nicht wie Tausende andere syrische Oppositionelle in der Anonymität versinkt, verdankt er einer breiten Unterstützerszene im Netz. Seit Jahren fordert die Kampagne #FreeBassel die Freilassung Khartabils. Mitarbeiter von Mozilla und Wikimedia sowie zahlreiche Universitätsprofessoren unterstützen die Kampagne.
Bevor die syrischen Behörden Khartabil 2012 ausschalteten, hatte sich der Sohn palästinensischer Flüchtlinge auf die Entwicklung von freier Software spezialisiert. In einem Land, in dem das Regime die Bürger und Bürgerinnen erst spät das Internet nutzen ließ und es nach der vorsichtigen Einführung stark kontrollierte, setzte sich Khartabil für Transparenz und ein offenes Netz ein.
Unter anderem soll der Programmierer, der auch unter dem Namen Bassel Safadi bekannt ist, an der Entwicklung des Internetbrowsers Mozilla Firefox beteiligt gewesen sein. Auch an dem Online-Lexikon Wikipedia habe er mitgearbeitet, heißt es auf der Website der Unterstützerkampagne. Das US-amerikanische Magazin Foreign Policy listete Khartabil im Jahr seiner Verhaftung als Nummer 19 der hundert 100 einflussreichsten Denker.
65.000 Menschen verschwunden
Was er verbrochen haben soll? Gefährdung des Staates. Ein Vorwurf, mit dem Bassel Khartabil nicht allein ist. Schon lange vor Ausbruch des Kriegs 2011 verschwanden politische Oppositionelle – oftmals spurlos – in den Kerkern des Regimes. Seit 2011 sind nach Angaben des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte mehr als 65.000 Menschen verschwunden.
Die Spuren Khartabils verloren sich kürzlich schon zum zweiten Mal. Nach der Verhaftung hörten seine Angehörigen monatelang nichts von ihm. Dann hieß es, er werde in einem Gefängnis bei Damaskus festgehalten. Nun ist er erneut verschwunden. Seit Wochen weiß seine Frau nicht mehr, wo er ist, und hat nichts mehr von ihm gehört. Irgendwann dann kam die Nachricht von dem Todesurteil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe