Netz-Zensur in Großbritannien: Porno-Filter passé
London wollte automatische Internetfilter einführen, um pornografischen und gewalttätigen Inhalten vorzubeugen. Jetzt ist der Vorschlag vom Tisch.
BERLIN taz | Freie Entscheidung statt Zwangskontrolle. Das scheint in diesem Fall das Motto der britischen Regierung zu sein: Vor etwa einem Jahr ist eine Initiative aufgetaucht, die automatische Netzsperren für pornografische Inhalte im Internet errichten wollte. Nun scheint die Idee wieder vom Tisch zu sein, wie die BBC berichtet.
Die Netzsperren hätten ursprünglich vor allem dem Jugendschutz dienen sollen. Die Jugend sollte nicht nur vor Pornos geschützt werden, sondern auch vor Gewaltdarstellungen und rechts- bzw. linksextremistischem Gedankengut. Um den Filter zu umgehen, hätten die Nutzer ihrem Provider dann aktiv mitteilen müssen, dass sie auf entsprechende Inhalte zugreifen wollen. Big brother lässt grüßen.
Die Idee stieß auf heftigen Widerstand, denn automatische Filter hätten möglicherweise auch andere Inhalte als die beabsichtigten herausgefiltert. Zum einen hätten die Internetprovider selbst bestimmen können, welches Dienstleisters sie sich bedienen – was eine einheitliche Kontrolle verhindert hätte.
Zum anderen hätten damit weitere Informationen gefiltert werden können – ein beträchlicher Einschnitt in die Meinungsfreiheit. Eine Studie der OpenNet Initiative verdeutlicht, wie in einigen Ländern politische und religiöse Inhalte dank solcher Filter zensiert worden sind.
Britische Provider hatten in der Vergangenheit schon automatische Netzsperren eingerichtet, um den Zugriff auf das Torrent-Verzeichnis „The Pirate Bay“ zu blockieren. Außerdem zwang ein Gericht British Telecom 2011 dazu. die Filesharing-Website „Newzbin2“ landesweit zu sperren. Weitere Seiten sollten in Zukunft folgen. Die Initiative der Regierung vom letzten Jahr bescherte dem Thema nur eine breitere Öffentlichkeit.
Eine vom britischen Innenministerium in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium veröffentlichte aktuelle Studie zeigt aber, dass die Nutzer kaum ein Verlangen nach automatischen Netzfiltern der Provider haben. So hätten nur 35 Prozent der Eltern entsprechende Filter befürwortet. 13 Prozent der Befragten sahen die Lösung in automatisch gestellten Fragen, die dafür sorgen sollten, dass Kinder nur bestimmte Inhalte sehen, während 15 Prozent der Befragten eine Mischung aus beiden Konzepten vorziehen würden.
Balance zwischen Sicherheit und Meinungsfreiheit
Statt der Filter sollte die Politik die Provider dazu bringen, ihre Systeme so umzurüsten, dass Eltern „aktiv dazu aufgefordert werden“ Kontrollfilter einzurichten wenn Kinder im Haus sind, fordert die BBC.
Eine stark abgeschwächte Form der ursprünglichen Forderung also, voraussichlich auf Kampagnen diverser Gruppen zurückzuführen, unter anderem der Open Rights Group, einer britischen Organisation, die sich für digitale Rechte einsetzt. „Es ist ein positiver Schritt, der eine gute Balance zwischen der Sicherheit der Kinder und elterlicher Verantwortung schafft, ohne die Meinungsfreiheit und zivile Freiheiten einzuschränken“, kommentiert auch Nick Pickles, Direktor der Organisation Big Brother Watch, einer Lobbygruppe für Rechte im Netz.
Während die einen jubeln, sind die anderen unzufrieden. So sagte Regierungsvertreterin Claire Perry, sie wäre enttäuscht, dass die Stimmen der Eltern nicht gehört wurden. Perry, eine Parlamentsabgeordnete des konservativen Lagers, leitete die Pro-Filter-Kampagne und hatte eine von über 115.000 Menschen unterschriebene Petition an Premierminister Cameron überreicht.
Die klare Absage der Briten an Netzfilter zeigt vor allem eines: Die Menschen sehen sich als durchaus in der Lage, Inhalte, die für ihre Kinder gefährlich werden könnten, selbst zu filtern. Sie sind nicht bereit, diese Kontrollfunktion an die Internetprovider oder den Staat abzugeben. Es ist aber ungewiss, ob damit die Debatte beendet ist oder ob es in Zukunft weitere Sperren der Provider geben wird.
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