Nestlé in Schwerin: Ein neues Werk für ganz viel Müll
Kaffeekapseln werden immer beliebter. In Schwerin baut Nestlé eine große neue Fabrik. Doch die Ökobilanz der teuren Miniportionen ist katastrophal.

BERLIN taz | Wenn an diesem Freitag der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé in Schwerin den Grundstein für seine größte europäische Kaffeekapselfabrik legt, freuen sich viele: die Stadt über die 220 Millionen Euro starke Investition in der strukturschwachen Region.
Die Einwohner über die 450 neuen Arbeitsplätze. Und Bundeskanzlerin Merkel, die ihr Kommen zugesagt hat und mit Blick auf die Bundestagswahl schöne Bilder erwarten darf. Für den Umweltschutz wird es dagegen ein schwarzer Tag. Denn die Ökobilanz der Kapseln, die ab Frühjahr 2014 in Schwerin produziert werden, ist katastrophal.
Im letzten Jahr hat jeder Deutsche durchschnittlich 149 Liter Kaffee getrunken, berichtet der Kaffeeverband. Insgesamt sind 402.000 Tonnen Röstkaffee und 12.800 Tonnen löslicher Kaffee konsumiert worden. Einen starken Anstieg gab es bei Kaffeekapseln: Der Absatz dieses in Einzelportionen eingeschweißten Kaffees legte im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent auf 10.000 Tonnen zu. „Viele Konsumenten achten auf eine unkomplizierte Zubereitung von qualitativ hochwertigem Kaffee“, sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des in Hamburg ansässigen Kaffeeverbands.
Gerade Single-Haushalte, Gelegenheitskaffeetrinker und Lifestyle-Konsumenten kauften daher verstärkt Kaffee in Einzelportionen. „Es scheint, dass Kapseln ein Lifestyle-Gefühl vermitteln“, sagt Preibisch.
„Nescafé Dolce Gusto“ heißt die Marke, von der in Schwerin jährlich rund zwei Milliarden Stück produziert werden sollen. Für die damit hergestellten Heißgetränke sind meist zwei Kapseln nötig – eine für Kaffee und eine für Milchschaum. Seit 2006 sind diese mit dem dazugehörigen Kaffeesystem auf dem Markt. Nescafé Dolce Gusto ist ein großer Erfolg. 2012 ist es laut Nestlé-Angaben auf dem Weg zur Umsatzmarke von einer Milliarde Euro.
Den Gewinn erwirtschaftet der Konzern jedoch auf Kosten von Kunden und Umwelt. Anders als beim Nespresso-System, wo es bereits preiswertere Konkurrenzkapseln gibt, können bei Dolce Gusto nur Originalkapseln von Nestlé benutzt werden. Und deren Preis pro Gramm liegt bei einem Vielfachen von herkömmlichem Kaffee.
„Extrem wenig Kaffee wird in extrem viel Material verpackt“
Besonders die Verpackung ist für die Ökobilanz verheerend. Da die Kapseln nur eine Portion von etwa 4 bis 7 Gramm fassen, entsteht enorm viel Müll. Für den Abfall gibt es aber im Gegensatz zur Schweiz in Deutschland kein Sammel- und Recyclingsystem. Die Kapseln, die aus Kunststoff und Aluminium bestehen, werden geschreddert und für die konventionelle Energiegewinnung genutzt
Wenn man sich dennoch eine Kaffeemaschine für Kapseln anschaffen will, rät Britta Stratmann vom Öko-Institut, auf einen niedrigen Energieverbrauch zu achten. „Die Kaffeemaschinen sollten nach dem Kaffeebezug immer gleich abgeschaltet werden, das spart noch mal Strom, da die Geräte sonst immer wieder aufheizen“, sagt Stratmann. Auf Websites wie ecotopten.de könnte man Vergleiche anstellen. Zudem empfiehlt sie, die geleerten Kapseln nicht im Hausmüll, sondern im gelben Sack oder der gelben Tonne zu entsorgen.
Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe spricht Kaffeekapseln aus ökologischer Sicht jede Ressourceneffizienz ab. „Generell gilt: Je kleiner die Verpackung, desto ungünstiger ist das Verhältnis zwischen Füllgut und Verpackung“, sagt er. „In diesem Fall wird extrem wenig Kaffee in extrem viel Material verpackt.“ Umweltfreundlicher seien klassische Kaffee- oder Espressomaschinen, die deutlich weniger Müll produzierten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme