Nepal droht Instabilität: Maoistischer Premier tritt ab
Mit seinem Rücktritt verhindert Nepals maoistischer Regierungschef, dass der Konflikt mit der konservativen Militärführung gewaltsam eskaliert. Zumindest vorerst.
Als Nepals maoistischer Premierminister Pushpa Kamal Dahal, genannt Prachandra, am Montagnachmittag vor die Kameras tritt, ist seine Miene ernst. In den Händen hält er seine mehrseitige Rücktrittserklärung. Er hat sie nach einem Wochenende der politischen Krise verfasst, die das Land an den Rand schwerster Zusammenstöße hätte bringen können. Als er die Erklärung vorliest, schaut er kaum auf.
Einerseits habe seine Regierung nach einem zehn Jahre dauernden Krieg die vormalige Monarchie in eine föderale demokratische Republik gewandelt, erklärt Dahal. Andererseits hätten "verschiedene nationale und ausländische Kräfte" gegen den "sozioökonomischen Wandel" Nepals gearbeitet. Dadurch hätten sich im Land zwei Machtzentren gebildet: die Regierung und der Präsident. "Damit ein Umfeld entstehen kann, durch das […] die Demokratie, die Nationalstaatlichkeit und der Friedensprozess, die in Gefahr sind, bewahrt bleiben, erkläre ich den Rücktritt von dem Kabinett, das ich führe." Damit bewahrt er Nepal vorerst vor einer Konfrontation zwischen Anhängern seiner Communist Party of Nepal (Maoist) und der Armee. Dies hätte bis zur Neuauflage des Bürgerkriegs führen können, der das Land zwischen 1996 und 2006 erschüttert hat.
Der jetzige Machtkampf bahnte sich seit Monaten an. Schon nach dem Wahlsieg der Maoisten vor einem Jahr dauerte es vier Monate, bis Dahal eine Regierung aufstellen konnte. Die meisten etablierten Parteien, die in der Abstimmung haushoch unterlegen waren, stellten sich den Maoisten lange in den Weg.
Auch bei der anschließenden Arbeit an einer republikanischen Verfassung kam es immer wieder zu Verzögerungen. Doch die drohende Konfrontation mit der Armee überschattete den gesamten Friedensprozess. Eigentlich hätte die Armee gemäß dem Friedensvertrag aus dem Jahr 2006 schon längst die 19.000 maoistischen Guerillakämpfer in ihre Reihen integrieren sollen. Doch Armeechef Rookmangud Katawal stellte sich quer. Er vertrat die Position, die Maoisten eigneten sich nicht für eine reguläre Armee, weil sie "indoktriniert" seien. Deswegen entließ Premier Dahal den Armeechef am Wochenende, als dieser stattdessen neue Soldaten rekrutieren wollte.
Der größte Koalitionspartner der Maoisten, die sozialdemokratische CPN-UML, und eine kleinere Partei verließen die Regierung. In Kathmandu gingen Demonstranten auf die Straßen und protestierten gegen den Premier. Die Sorge vor Zusammenstößen und einer Ausgangssperre nahm zu.
Präsident Ram Baran Yadav, der dem konservativen Nepali Congress angehört, schaltete sich daraufhin ein. In einem Rundschreiben forderte er den Armeechef auf, trotz der Entlassung im Amt zu bleiben. Dahals Regierung bezeichnete seine Einmischung als "nicht verfassungskonform". Zugleich erklärten Anführer der Maoisten, dass sie jeden Versuch des Präsidenten und der Armee, ihren Premier zu stürzen, mit Waffengewalt beantworten würden. Da zog Premier Dahal die Notbremse und trat von seinem Amt zurück. Nun droht Nepal politische Instabilität. Die Oppositionsparteien haben für eine Regierungsbildung nicht genug Abgeordnete. Die Arbeit an der Verfassung dürfte erst mal überhaupt nicht mehr vorankommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?