Neonazis vor Gericht: Kein Gedächtnis, kein Markus S.
Im "Sturm Wiking"-Prozess wurde gegen Markus S. Haftbefehl erlassen, weil er nicht vor Gericht erschien. Ein Zeuge bewies Vergesslichkeit, die Polizei Akribie
Markus S. hätte wissen können, dass man bei Gericht erscheinen sollte. Schon beim ersten Verhandlungstag zur neonazistischen Vereinigung "Sturm Wiking" war eine abwesende Angeklagte von der Polizei zum Landgericht gebracht worden. Den sieben Bremern zwischen 18 und 25 Jahren wird Volksverhetzung und unter anderem ein Angriff auf das "Lidice Haus" vorgeworfen. Am Dienstag nun fehlte der Angeklagte Markus S.. Eine ärztliche Bescheinigung, kurzfristig vom Verteidiger vorgelegt, reichte dem Richter nicht aus. Er erließ Haftbefehl.
In Markus S. Wohnung war die Polizei nur auf dessen Mutter getroffen, die gesagt haben soll, ihr Sohn sei in einer Schule in der Vahr. "Nicht im Krankenhaus, nicht beim Arzt, vermutlich also verhandlungsfähig", so Staatsanwalt Uwe Picard. Er ging davon aus, dass der bescheinigende Arzt über eine Krankheit von Markus S. getäuscht worden sei. Der Antrag des Verteidigers, seinen Mandanten durch einen Amtsarzt untersuchen zu lassen half nicht: Markus S. wird nun die Zeit der Verhandlung in Untersuchungshaft verbringen müssen, bis Mitte Oktober stehen die Termine fest.
Vorgeworfen wird den Brüdern S. mit den fünf Bremer Angeklagten im Jahr 2008 die kriminelle Vereinigung "Sturm Wiking" gegründet zu haben. Auf der Internetseite der "Freien Nationalisten Bremen" sollen sie volksverhetzende Texte verbreitet, sowie im Februar 2008 das "Lidice Haus" mit Steinen attackiert und im Sommer 2008 den Angriff auf eine Anti-Rechts-Demonstration in Blumenthal geplant haben. Beim Lidice Haus war ein Schaden von 20.000 Euro entstanden.
Vernommen wurde der Zeuge Michael W., auch gegen ihn wird wegen der Taten ermittelt. Der 20-Jährige verweigerte die Aussage bezüglich der Bildung einer kriminellen Vereinigung, um sich nicht selbst zu belasten. Mit dem Angriff aufs "Lidice Haus" oder rechten Internetseiten will er nichts zu tun gehabt haben, obwohl Markus S. zuvor ausgesagt hatte, dass W. beteiligt war. Mit 14 sei W. in die NPD eingetreten, jedoch seit drei Jahren nicht mehr dabei. Die Behauptung, vom rechten Gedankengut abgekommen zu sein, hat W. mit Gerold S. gemein. Der hatte am ersten Verhandlungstag gesagt, nicht mehr neonazistisch aktiv zu sein. Laut Staatsanwalt Picard jedoch habe Gerold S. sich noch im April 2011 an der Verteilung der NPD-Schulhof-CD beteiligt, sowie im Januar 2011 an der Eröffnung des NPD-Bürgerbüros in Bremerhaven teilgenommen.
Mit Gerold S. hat der Zeuge Michael W. sich noch am Morgen vor der Verhandlung getroffen. Wann das Gespräch genau stattfand und ob auch seine Zeugenaussage darin genauer besprochen wurde, daran wollte er sich ein paar Stunden später nicht mehr erinnern können. Ein solches Treffen ist nicht verboten, aber für die Bewertung der Zeugenaussage von Belang. Staatsanwalt Picard wunderte sich über das "Sieb im Kopf" des Zeugen, der in Wien medizinische Biotechnologie studiert.
Mehr belastende Hinweise könnten hingegen durch die Ermittlungen Polizei zu Stande kommen: 13 Aktenordner an Abschriften von überwachten Telefongesprächen waren an das Landgericht übergeben worden.
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