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Neonazi war offenbar V-MannBayerns Spitzel beim NSU

Der bayerische Verfassungsschutz hatte offenbar schon früh einen V-Mann in der engeren Umgebung des Neonazi-Terrortrios NSU. Die Behörde hat das bisher bestritten.

Der Neonazi aus Franken kannte wohl alle drei schon, bevor sie untertauchten: NSU-Terrortrio. Bild: dapd

MÜNCHEN/ERFURT dpa | Der bayerische Verfassungsschutz hatte nach Medieninformationen entgegen bisheriger Aussagen frühzeitig einen V-Mann im Umfeld der rechtsterroristischen NSU. Nach Informationen der Thüringer Allgemeinen und des Bayerischen Rundfunks (BR) führte die Behörde wohl über mehrere Jahre einen bekannten fränkischen Neonazi als Informanten.

Dieser habe seit 1994/95 auch direkten Kontakt zu den späteren mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gepflegt, berichtet die Zeitung. Sie beruft sich auf ein einst führendes Mitglied der Neonazi-Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“.

Nach einem BR-Bericht soll der fränkische V-Mann zudem Aufbauhilfe für die rechte Szene in Thüringen betrieben und Propagandamaterial in großem Stil nach Thüringen gebracht haben. Dies habe dem Sender der frühere thüringische V-Mann Tino Brandt berichtet. Brandt hatte einst beim Aufbau des „Thüringischen Heimatschutzes“ mitgewirkt.

Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wollte sich dazu am Dienstagabend nicht näher erklären. Behördensprecher Markus Schäfert: „Zu Fragen des V-Mann-Einsatzes können wir uns nicht öffentlich äußern. Dafür gibt es Gremien, die sich mit solchen Dingen befassen.“

Nach BR-Informationen liegen auch dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags Hinweise vor, dass der fränkische Neonazi Quelle des Verfassungsschutzes gewesen sei. Der Ausschuss forderte daher am Dienstag, den Ausschussmitglieder müssten sämtliche Akten über den fränkischen V-Mann und dessen Computernetzwerk zur Verfügung gestellt werden.

Außerdem soll der ehemalige Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Gerhard Forster, ein zweites Mal als Zeuge vernommen werden. Er hatte Anfang Oktober im Untersuchungsausschuss ausdrücklich bestritten, dass seine Behörde einen V-Mann im Umfeld des späteren Terror-Trios geführt habe.

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3 Kommentare

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  • DK
    @Detlev Kleinmayr

    Die Geheimdienste Deutschlands müssen in einem größeren Rahmen betrachtet werden.

    Lesen Sie einmal den Artikel Paul Schreyer "Und ewig streikt der Zünder".

  • V
    vic

    Das bayerische Landesamt für VS "will sich nicht äußern"

    Und damit ist die Sache erledigt?

  • DK
    Detlev Kleinmayr

    „Zu Fragen des V-Mann-Einsatzes können wir uns nicht öffentlich äußern. Dafür gibt es Gremien, die sich mit solchen Dingen befassen.“

     

    Ja, und genau diese "Gremien" muss man unterlaufen, täuschen und ablenken. Das ist die Kernaufgabe des Vefasssungsschutzes im Jahr 2012. Wer braucht diese Spitzel? Hat der Verfassungsschutz dem V-Mann auch mal n' 1000er mitgegeben für die Aufbauhilfe, damit die Legende besser funktioniert?

     

    Werden wir nie erfahren.

     

    Was wir aber machen können, ist die Auflösung dieser Dienste zu fordern, denn die Demokratie, Verfassung und Menschenleben bzw. Grund- und Freiheitsrechte schützen sie nicht.

     

    Wissenschaftliche Forschungsstellen, die extreme Publikationen durchlesen und analysieren würden billiger und besser arbeiten. Für den Rest ist dann die Polizei zuständig. Und das wäre auch besser, denn diese Kontakte mit der Szene, V-Leute, Infos-Tauschen etc. das ist ein Spielchen, das kann solchen Szenen eher nützen als schaden. Übrigens erhielt auch die RAF ihre erste Knarre vom Verfassungsschutz. Überall wo Terror und Gewalt im Spiel ist, da ist auch der Verfassungsschutz nicht weit, fragt sich nur in welcher Rolle.

    Hätte es die RAF z.B. nie gegeben, schon in den 1970ern wäre eine unabhängige linke Partei entstanden und hätte Schmidt/Brandt von links genervt. Auch heute beobachtet der Vefassungsschutz nicht nur die Rechten, sondern er sorgt auch dafür, dass die CDU und CSU keine Konkurrenz auf der rechten Seite bekommen. Das ist zwar nicht der Auftrag der Behörde, aber es kontrolliert ja eh niemand und in Bayern sitzt wahrscheinlich einer von der SPD im ganzen Verfassungsschutz und der ist wahrscheinlich an der Pforte.

     

    Ich würde mich freuen, wenn diese thüringischen Akten diesen ganzen Mist richtig durchrütteln und ich würde die Partei sofort wählen, die mir glaubhaft versichert, dass sie für das sofortige Ende der Geheimdienste in Deutschland eintritt.

     

    P.S. Gerade lese ich der Bau der neuen BND-Zentrale in Berlin nähere sich der Schallgrenze von einer Milliarde Euro an - das Geld hätte man besser ausgeben können.