Neonazi-Übergriffe in Ostdeutschland: Scharfe Kritik an Polizeieinsatz

Nach den Neonazi-Übergriffen in Ostdeutschland gerät die Polizeiführung in die Kritik. Dem Land Thüringen sei "eine krasse Fehleinschätzung der Gefährdungslage" unterlaufen, so ein DGB-Bezirkschef.

Schwarm von Polizisten: Geschlossene Formation beim Einsatz in Dresden. Bild: dpa

BERLIN taz Übergriffe nach Naziaufmärschen sind nicht ungewöhnlich. Seit sich Ende der 90er-Jahre die Neonazis bundesweit wieder offensiv auf die Straße trauen, findet kaum ein Aufmarsch statt, an denen Neonazis und Antifas nicht versuchen, sich auf den Autobahnen gegenseitig zu jagen. Immer wieder kommt es an Raststätten zu Auseinandersetzungen.

Doch so brutal wie am Samstag auf den Autobahnraststätten Rabensteiner Wald bei Chemnitz und Teufelstal bei Jena, bei dem aus einem Bus von Neonazis heraus unter anderem ein Gewerkschafter aus Nordhessen so brutal zusammengeschlagen wurde, dass er einen Schädelbruch erlitt, verlaufen diese Auseinandersetzungen in der Regel nicht. Denn der Polizei sind diese Gefahren bekannt. "Um einen friedlichen Gesamtablauf zu gewährleisten, gehört es fest zum Polizeikonzept, dass die An- und Abfahrten einbezogen werden", heißt es aus Polizeikreisen in Berlin. Es sei üblich, dass jeder Bus sowohl der Neonazis als auch der der Antifas vom Start- bis zum Zielort von Streifenwagen begleitet werde. Veranstalter der Gegendemonstrationen würden deswegen der Einsatzleitung stets eine Liste aller Busse mit ihren Routen mitteilen.

Umso schärfer wird nun Kritik an der zuständigen Polizeiführung bei den Vorfällen vom Wochenende geübt. Es sei unerklärlich, wie angesichts des massiven Aufmarschs von Rechtsextremen in Dresden dem Thüringer Innenministerium "eine so krasse Fehleinschätzung der tatsächlichen Gefahren und Gefährdungslage" unterlief, erklärte der Bezirksvorsitzende Stefan Körzell, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen. Jedes Fußballspiel werde besser geschützt. Dass die zuständigen Polizisten erst 20 Minuten später eintrafen, sei ein schweres Versäumnis, heißt es auch aus Berliner Polizeikreisen. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, forderte umfassende Aufklärung des "unerträglichen" Angriffs.

Die Aufklärung bleibt beim Vorfall in Teufelstal bisher aus. Der zuständige Staatsanwalt in Gera wollte keine näheren Angaben zum Täterkreis machen. "Die Ermittlungen dauern an", sagte er. Die Polizei hatte am Samstagabend zwar die Personalien der Neonazis in ihrem Bus aufgenommen, die Rechtsextremisten selbst aber weiterfahren lassen.

Wie das Online-Portal Mut gegen rechte Gewalt berichtet, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes im Saarland ein Rechtsextremist aus Pirmasens in Rheinland-Pfalz den Bus angemietet. Unter seinem Namen seien angeblich drei Busse bestellt worden. Von den 31 tatverdächtigen Neonazis würden vier aus Schweden, zwölf von ihnen aus dem Saarland stammen. Neun von ihnen seien polizeilich bekannt, sechs von ihnen sollen der NPD angehören. Bei dem weiteren Überfall in der Nähe von Chemnitz, bei dem es Polizeiangaben zufolge drei Verletzte gab, sei ein Bus mit zwölf Verdächtigen angehalten worden. Die Verdächtigen würden aus dem Raum Duisburg kommen. Die Opfer seien sieben Gewerkschaftsmitglieder aus Weimar, zitiert das Online-Portal einen Polizeisprecher. FELIX LEE

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