■ Nebensachen aus Warschau: O Gott, die Kunden...
„Der Kunde ist König“ heißt es in gut kapitalistischen Ländern. In Polen kommt er einem Gott gleich. Zwar bringt er das Geld. Aber leider äußert er immer so merkwürdige Wünsche, mystisch und eindeutig nicht von dieser Welt. Aber in einem katholischen Land wissen die Verkäufer damit umzugehen: „Ihr Wunsch ist uns heilig“, versichern sie und verpacken den kaputten Fernseher.
Der Kunde hat ihn ausgesucht, er bezahlt ihn auch. Warum, weiß niemand. Gottes Wille ist unerforschlich. Vor allem, wenn er nach zwei Tagen wieder kommt und den Fernseher plötzlich nicht mehr haben will. „Der Fernseher ist kaputt“, sagt er. Fassungslos sieht ihn der Verkäufer an und breitet geduldig den Kaufvertrag aus: „Hier ist Ihre Unterschrift. Damit haben Sie den Fernseher gekauft.“ Der Kunde versteht nicht: „Jaja, aber er ist kaputt. Ich will ihn umtauschen.“ Der Verkäufer richtet die Augen gen Himmel: „Der Fernseher war auch vor zwei Tagen kaputt. Da wollten Sie ihn haben. Jetzt nicht mehr. Wissen Sie überhaupt, was Sie wollen?“ Gott-Kunde donnert den armen Verkäufer an: „Ich wollte einen funktionierenden Fernseher. Ich will mit dem Fernseher fernsehen!“
Auch der Verkäufer erhebt nun die Stimme. Schließlich kann man sich auch von einem Gott nicht alles bieten lassen: „Das hätten sie sich früher überlegen müssen. Gekauft ist gekauft! Gott-Kunde, der Außerirdische, wirkt verstört: „Ich habe 1.000 Zloty für den Fernseher bezahlt. Ein ganzes Monatsgehalt.“ Der Verkäufer senkt die Stimme: „Ich mache ihnen einen Vorschlag. Wir haben hier einen Reparaturservice. Da können Sie Ihren Fernseher abgeben. In drei Monaten müßte er dann fertig sein.“ Gott- Kunde schreit auf: „In drei Monaten?“ Der Verkäufer wendet sich bereits einem neuen Kunden zu: „Ja, wir verkaufen zur Zeit sehr viele kaputte Fernseher. Sie wissen ja, sie haben drei Jahre Garantie. Wenn Ihr Fernsehr dann immer noch nicht funktioniert, nehmen wir ihn zurück. Das ist Service!“
Die polnische Regierung, die das Land gerne in die EU bringen möchte, sah im vergangenen Jahr ein, daß es sinnvoll sein könnte, Kunde und Verkäufer einander näherzubringen. Sie degradierte also Gott zum König und gab ihm „ein Recht“, wie die polnischen Zeitungen jubelten. Seit dem 1. Januar dürfen Kunden fehlerhafte Ware umtauschen oder ihr Geld zurückfordern.
Ich machte gleich die Probe aufs Exempel: „Ich hätte gerne eine Geflügelschere.“ Die Verkäuferin reicht mir ein in dicke Pappe eingeschweißtes Teil. „Könnte ich mir die Schere ansehen? Die Verkäuferin hatte offensichtlich keine Nachrichten geguckt und sagt: „Die Schere ist verpackt.“ Ich versuche es noch einmal: „Könnten Sie die Schere wohl auspacken? Ich möchte sehen, ob sie auch funktioniert.“ Sie: „Wir beachten hier die Grundsätze der Hygiene.“ Ich: „Aber Messer und Gabeln kann man doch auch prüfen.“ Mit unerbittlicher Logik kommt: „Das sind ja auch keine Geflügelscheren.“ Ok, so komme ich nicht weiter: „Wenn sich herausstellt, daß die Schere nicht funktioniert, kann ich sie dann umtauschen?“ Die Verkäuferin läuft rot an und krächzt: „Wir verkaufen unsere Ware, wir verleihen sie nicht.“ Übrigens: Die Schere eignet sich ganz hervorragend zum Massakrieren von Hähnchen. Gabriele Lesser
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