■ Nebensachen aus Paris: Wenn Fräulein Korrespondentin Orangen kauft
Nichts zu machen. Die Mademoiselle ist hartnäckig. „Schreiben Sie Madame“, trage ich meinem Anwalt auf. „Gerne“, antwortet mir der teuer Bezahlte mit maliziösem Lächeln. „Sie müssen bloß heiraten, Mademoiselle.“
Als ich später bei Freunden schimpfe, daß meine Familienverhältnisse niemanden etwas angehen – weder den Anwalt noch die Vorzimmerdamen mit ihrer telefonischen Routinefrage: „Mademoiselle oder Madame?“ – reagieren sie verständnislos. „Wenn dich jemand Mademoiselle nennt, heißt das, du bist jung“, klärt Michel mich auf. Dann holt er zu einem einfühlsamen Exkurs über seine Lehrerkolleginnen aus. Die seien „richtig niedergeschlagen“, wenn sie erstmals im Unterricht „Madame“ genannt würden, und das werde ab 30 immer häufiger. Michels hochschwangere Gefährtin Marie-Agnes merkt an, daß sie sich schon sehr auf die Zeit nach der Geburt des Kindes freue, wenn sie „hoffentlich wieder Mademoiselle“ genannt werde.
„Mademoiselle“ – das klingt leicht, begehrenswert und frei. Allerdings nur bis zu einem gewissen Alter, das Marie-Agnes mit der Beschreibung „farblos, huschig und mit Dutt“ charakterisiert. Frauen, die danach immer noch „Mademoiselle“ genannt werden, „sind alte Mädchen“, erklärt sie, „Sitzengebliebene“. Also auch wieder nicht erstrebenswert.
Mein Einwand, es handele sich bei der „Mademoiselle“ um eine Diskriminierung, weil seit Jahrhunderten kein unverheirateter Franzose mehr „demoiseau“ genannt werde, führt zu Gelächter. Mein Hinweis, in Deutschland gebe es offiziell kein „Fräulein“ mehr, veranlaßt Michel zu einem Ländervergleich. „Vielleicht ist das in deinem Land ja noch anders“, sagt er nachdenklich. „Bei uns ist feministisches Engagement unzeitgemäß. In Frankreich ist Mademoiselle galant und nicht diskriminierend.“
Meine Freundin Lise, die eine längere Erfahrung im Leben hat und außerdem immer noch unter einem gewissen feministischen Einfluß steht, sieht das anders. Nachdem sie früher vergeblich gegen die „Mademoiselle“ gekämpft hat, ist sie seit ihrer Eheschließung gelegentlich mit hochoffiziellen Anschreiben an „Madame“, gefolgt von dem Vornamen ihres Gatten und dem gemeinsamen Familiennamen, konfrontiert. „Madame Pierre D.“ also. „Frankreich ist ein Macho- Land“, sagt sie, „hier hängt alles von deinem Verhältnis zur Männerwelt ab.“
Auch mir flattern alltäglich Akkreditierungsvordrucke, Fragebögen und Anschreiben ins Büro, auf denen ich zwischen Madame und Mademoiselle wählen kann. Das Finanzamt hat gar nicht erst gefragt, sondern mich eigenmächtig als „Mademoiselle“ in die Akten genommen. Aber der Sprecher des Ministeriums für den öffentlichen Dienst versichert kategorisch, daß seine Regierung ausnahmslos jede Frau als „Madame“ anrede. Eine verbindliche Regelung, gar ein Gesetz sei deswegen überflüssig.
„Madame“, das signalisiert Respekt – sowohl vor dem Alter als auch vor der Position. Es bedeutet Ernsthaftigkeit und Distanz und beinhaltet in der Regel auch, daß Avancen nicht beabsichtigt sind. Glanzlos ist der Zustand der „Madame“ nicht. Im Gegenteil: Pompadour, Sevigny, Curie und die wenigen anderen Frauen, deren Namen der französischen Geschichte in Erinnerung geblieben sind, waren samt und sonders „Madame“ und ließen sich auch so nennen.
„Mademoiselle“, ruft mir der Obsthändler auf dem Markt entgegen: „Sehen Sie, diese wunderbaren Blutorangen!“ Ich bleibe stehen und zögere einen Augenblick. Dann gebe ich nach und kaufe zwei Kilo. Nachdem er abgewogen und verpackt hat, überreicht mir der Händler die Tüte mit den Worten: „Macht 12 Francs – Madame.“ Dorothea Hahn
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