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■ Nebensachen aus Bangkok0 Liter bei 1,5 km/h

Wenn mir jemand früher gesagt hätte, er sei „mit einem Elefanten zusammengestoßen“, hätte ich dies als Aufschneiderei abgetan. Jetzt weiß ich es besser. In Bangkok kann es leicht passieren: Man biegt um die Ecke, hält ein Tuch vor die Nase, um die Auspuffwolken zu filtern, und schon prallt man gegen eine graue Säule, die sich als Elefantenhinterbein entpuppt.

Dutzende dieser Tiere schieben sich jeden Tag durch Bangkok. Auf der Schulter sitzt der Mahout, bohrt die Hacken rechts und links hinter die Ohren und dirigiert sie so durch den Verkehr. Die Dickhäuter und ihre Besitzer sind auf der Flucht vor der Arbeitslosigkeit. In Thailand leben heute noch rund 4.000 Arbeitselefanten. Früher wurden sie zum Abtransport gefällter Baumstämme in den Wäldern eingesetzt, doch mittlerweile ist das Abholzen von Edelhölzern verboten.

Jetzt wissen die Elefantentreiber nicht, wovon sie ihre Tiere ernähren sollen. Also bringen sie sie nach Bangkok. Natürlich ist das verboten. Aber eine Alternative existiert nicht: Die Zoos und Zirkusse haben schon genug Elefanten; sonst bleibt nur die Schlachtbank, und deshalb drücken Polizisten und Politiker beide Augen zu.

Anders als die deutschen Adventskamele vor Hertie und Karstadt sind diese Elefanten keine Mitleids- und Betteltiere, sondern sie bringen Glück. Wenn man sie — für eine angemessene Gebühr — umrundet oder besser noch unter ihnen durchklettert, kann in der nächsten Zeit nichts schiefgehen.

So sind die Rüsseltiere mittlerweile zu einem beachtlichen Faktor in Bangkoks Verkehr geworden — neben Lastwagen, Autos, Bussen, Motorrädern, fahrenden Garküchen, Sanitärläden, Eisbuden und Obstgeschäften. Alle zusammen trugen dazu bei, daß ich Mitte vergangener Woche vier Stunden lang im Stau stand. Niemand regte sich auf. Ein Imbißverkäufer verkaufte gebratenen Tintenfisch an die Wartenden, die Zeitungsjungen machten ebenfalls gute Geschäfte. Am nächsten Tag las ich, daß eine neue Hochtrasse eingeweiht worden war, und der Verkehr an der betreffenden Kreuzung jetzt schneller fließe. Das veranlaßte einen Politiker zum erfreuten Ausruf: „Jetzt können wir noch mehr Autos zulassen.“

Elefanten jedenfalls können offenbar mit Autos ganz gut leben, auch wenn diese dicht an ihnen vorbeikurven. Nur eines könnten die Tiere nicht ausstehen, sagte mir ein Experte: Schienenverkehr. Wenn sie nahende Züge an der Vibration im Boden spüren, würden die Elefanten ganz verrückt und brächen aus. Damit erklärt sich, warum der Bau der S-Bahnen immer wieder verschoben wird: Dahinter steckt nichts als die Sorge der Politiker um ihre Elefanten. Jutta Lietsch

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