Nazitreffen, Bundeswehrvortrag und Boxen: Wo der AfD-Nachwuchs sich rumtreibt
Die Junge Alternative Schleswig-Holstein war beim rechtsextremen „Tag der Ehre“ in Budapest vertreten. Die Rekrutierung läuft auch über Kampfsport.
D ie Selbstinszenierung ist auch eine Selbstentlarvung: Auf der Plattform X, früher Twitter, berichtete die Junge Alternative (JA) Schleswig-Holstein über eine Vortragsveranstaltung in der vergangenen Woche bei der AfD Herzogtum Lauenburg. Der JA-Bundesvorsitzende und AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck beschrieb die „aktuelle Lage“ der Bundeswehr.
Selbst scheint die JA noch nicht ganz in der Aktualität angekommen zu sein: Das gepostete Bild zu dem Bericht zeigt nur zehn junge Männer. In diesem Kreis geht man nicht nur gemeinsam zu Vorträgen, sondern besucht auch zusammen mit internationalen Rechtsextremen einen Marsch in Budapest oder trainiert Kampftechniken.
In der ungarischen Hauptstadt nahm der Regionalvorsitzende der JA Südholstein, Ragnar Meyer, am „Tag der Ehre“ teil. Der ist seit Jahren ein festes Datum des europäischen Rechtsextremismus. Mit einer „Gedenk- und Wandertour“ wird dort an den „heroischen Befreiungskampf“ der ungarischen und deutschen Soldaten gegen die Rote Armee erinnert.
Am 11. Februar 1945 hatten die eingekesselten Soldaten einen Ausbruch versucht. Ohne Erfolg, nur einhundert Soldaten kamen durch die feindlichen Linien.
Diese Verherrlichung von Tod und Opferbereitschaft organisieren die paramilitärische Truppe „Légió Hungária“ und der ungarische Ableger des in Deutschland verbotenen rechtsradikalen Terrornetzwerks „Blood & Honour“.
Empfohlener externer Inhalt
Den Marsch begleiten Jahr für Jahr Proteste. Im vergangenen Jahr waren Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Gegendemonstranten eskaliert. Die ungarische Polizei ermittelt – gegen Antifaschist:innen. In Deutschland hat die drohende Auslieferung 13 Beschuldigte dazu getrieben, seit einem Jahr abgetaucht zu sein.
Das rechtsextreme Erinnerungsevent findet schon seit 1997 statt. Auf der Website der Aktionsgruppe Börzsöny, die den Marsch mitträgt, wird die „Gedenk- und Wandertour“ auch als „Ausbruch 60“ beworben. Drei unterschiedliche Routen – 25, 35 oder 60 Kilometer lang – bieten sie an. Welche Strecke Meyer gelaufen ist, ist nicht bekannt. Mehrerer Bilder von antifaschistischen Initiativen wie Recherche-Nord belegen aber seine Teilnahme.
Kampfsport mit Schweizer Gästen
Eigene Aufnahmen der JA Schleswig-Holstein auf Instagram belegen hingegen das Kampfsporttraining. Schon Ende 2023 fand das Training des JA-Verbandes statt. Die Bilder zeigen Männer beim Box- und Kickboxtraining. An dem Training nahm auch ein Gast von der Gruppe „Junge Tat Schweiz“ teil. Die Gruppe aus dem Nachbarland agiert ähnlich wie die rechtsextreme Identitäre Bewegung, drängt durch provokante Aktionen in die Öffentlichkeit.
Der Schweizer Journalist Kurt Pelda schreibt auf watson.ch, dass die Gruppe sich ebenso „gegen Massenzuwanderung, Islamisierung und Multikulturalismus“ wehren würde, „am liebsten wäre es ihnen, wenn die Völker gemäß dem ‚Ethnopluralismus‘ jeweils getrennt in ihren eigenen Ländern lebten“.
Eine ihre Aktionen: Am Eingang des Aargauer Regierungsgebäudes stehen sie vermummt und zünden Pyrotechnik. Auf Schildern steht: „Das Regierungsgebäude wird nun als Remigrationszentrum verwendet“ – gezeichnet: „Das Volk“. Inszenierungen, die die „Junge Tat“ über die sozialen Medien verbreitet.
Diese Position teilte die JA Schleswig-Holstein jüngst. Auf X schrieb sie: „Die ganze Nation braucht #Remigration!“ und nennen sich selbst „Team #Remigration“. In dem Kurznachrichtendienst rechtfertigt die JA auch ihr Kampfsporttraining als „Selbstverteidigung“ und versichert, „unsere Kurse“ so lange fortzuführen, „wie es linke Gewalt gibt“. Die Jugendorganisation der AfD wirbt mit dem Gewalttraining dafür, bei ihnen einzutreten – wenn „du (…) bei unserer aktiven Heimat-Selbstverteidigung dabei“ sein willst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels