Nazis: Silvesterparty im Henker ist gesichert
Nach dem Willen der Vermieterin soll die rechte Szenekneipe Zum Henker in Berlin-Schöneweide geräumt werden. Das Landgericht hat die Entscheidung aufgeschoben.
Der zweite Nackenschlag für die Berliner Naziszene innerhalb weniger Wochen ist vorerst ausgeblieben. Nach der Verurteilung des NPD-Landeschefs Sebastian Schmidtke wegen Volksverhetzung und Gewaltdarstellung vor dem Amtsgericht Anfang des Monats ging es am Freitag vor dem Landgericht um die Räumung der Nazikneipe Zum Henker in Schöneweide. Die Entscheidung verschob das Gericht auf den 31. Januar.
Seit fast fünf Jahren schenkt Henker-Wirt Paul B. in Schöneweide „Odin“-Bier und „Himla“-Cocktails aus. Es finden 88-Cent-Partys, Rechtsrockkonzerte und politische Veranstaltungen statt. Laut Verfassungsschutz dient die Kneipe als Treffpunkt der rechten Szene aus Berlin – und darüber hinaus. Der harte Kern der Szene nutzt sie als Rückzugsraum, Vernetzungs- und Partyort sowie für den Wahlkampf der NPD. Seit ihrer Öffnung im Jahr 2009 häufen sich szenetypische Straftaten im Umfeld der Kneipe.
Nach Protest eingelenkt
Es bedurfte erst erheblichen Drucks aus der Zivilgesellschaft, dass der Vermieter, eine Erlangener Immobilienfirma, den Mietvertrag kündigte. Treptow-Köpenicks ehemalige Bürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD) hatte sich bis 2011 immer wieder vergeblich bemüht, den Vermieter zur Kündigung zu bewegen. Der aber hielt die Kündigung lange für rechtlich nicht durchsetzbar. Die Antifa demonstrierte vor einem Berliner Büro der Immobilienfirma. Auf mehreren großen Demonstrationen durch Schöneweide, an denen sich Landes- und Bezirkspolitiker beteiligten, wurde die Schließung des Szenetreffs gefordert. Im März dieses Jahres lenkte die Eigentümerin schließlich ein und kündigte den Mietvertrag. Sie begründete die Maßnahme damit, dass sie rechtsextreme Aktivitäten in ihrem Haus nicht dulden könne.
Der Betreiber des Henkers, Paul B., hatte Rechtsmittel gegen Kündigung und Räumung eingelegt, sodass es gestern zur Verhandlung vor dem Landgericht kam. B. wurde von mehreren Zechkumpanen ins Gericht begleitet, die riesige Bierbäuche in den Saal schoben. Unter ihnen war auch Henker-Gast Uwe D., der als Führungsfigur der verbotenen Kameradschaft „Frontbann 24“ galt und heute die neu gegründete Partei „Die Rechte“ repräsentiert.
Eine gütliche Einigung kam nicht zustande. Die Vermietungsgesellschaft zeigte sich bereit, statt der damals ausgesprochenen fristlosen Kündigung eine Frist zur organisierten Abwicklung der Räumung bis Februar oder März festzulegen. Doch darauf ließen sich Paul B. und seine Geschäftspartner nicht ein. Die von Henker-Anwalt Carsten Schrank ins Spiel gebrachte Fristverlängerung bis Ende 2014 akzeptierte hingegen der Vermieter nicht.
Die couragierte und pragmatische Richterin ließ in der Verhandlung durchblicken, dass sie mit der fristlos ausgesprochenen Kündigung Probleme hat. Eine fristgerechte Kündigung sei allerdings eine Option, die sie prüfen wolle. Somit ist es durchaus denkbar, dass der Bierhahn im Henker nächstes Jahr trockengelegt wird.
Normalerweise hätte spätestens drei Wochen nach der Verhandlung eine Entscheidung des Gerichts feststehen müssen. Die ungewöhnlich lange Frist könnte damit zusammenhängen, dass dem Henker noch Gelegenheit eingeräumt wird, sich in einem Schriftsatz zu einem möglichen Kündigungstermin zu äußern. Hier hatte der Vermieter in der Verhandlung als „Ersatzantrag“ den 15. Februar vorgeschlagen.
Der in NPD-Kreisen beliebte Henker-Anwalt Schrank erklärte in der Verhandlung, dass ihm mit dem Tod gedroht worden sei.Polizeisprecherin Valeska Jakubowski bestätigte, dass der polizeiliche Staatsschutz wegen Bedrohung ermittelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“