Nazi-Suche bei Hannover 96: Rechte Geister im Stadion
Es gibt Gerüchte, dass sich rechte Fans bei Hannover 96 ausbreiten. Der Verein widerspricht. Die Kampagne „Hannover Rechtsaußen“ sammelt Belege.
HANNOVER taz | Die Gerüchte darüber, dass bei den Ultra-Gruppierungen von Hannover 96 ein Rechtsruck stattfindet, gibt es schon seit Monaten. Plötzlich hing die Fahne der Rising Boys Hannover (RBH) nicht mehr in der Kurve und aus der Fanszene war zu hören, diese linken Ultras seien von anderen mit Gewalt und Drohungen aus dem Stadion vertrieben worden. Doch weil sich offiziell niemand äußert, waren diese Gerüchte nie hart zu kriegen.
Am 22. Dezember, beim Heimspiel von Hannover 96 gegen Fortuna Düsseldorf, gab es einen Vorfall, der die Vermutung unterfüttern könnte, rechte Strömungen hätten an Einfluss gewonnen. Im Bereich der Nordkurve verteilten antifaschistische Fans Flyer. Die Kampagne „Hannover Rechtsaußen“ kritisierte darin, dass man „vom Ideal einer ‚bunten Kurve‘ weit entfernt“ sei. „Im Gegenteil: Rechte bis extrem rechte Haltungen und Aktivitäten werden von weiten Teilen der Szene geduldet und Andersdenkende ausgeschlossen“, heißt es in dem Flyer.
Die Kampagne haben Einzelpersonen mit und ohne direkten Fußballbezug gegründet, um den Einfluss linker Positionen in der Kurve wieder zu vergrößern. Paula Schultze ist dabei. Ihren richtigen Namen will sie nicht sagen. „Bei uns machen Leute mit, die jahrelang aktiv zu Spielen gefahren sind sowie politische Gruppen aus dem antifaschistischen Spektrum.“
Die Probleme in der hannoverschen Fanszene seien kein Einzelphänomen. Auch in anderen Kurven sei es in den vergangenen Jahren zu gewaltsamen Konflikten zwischen rechten und linken Gruppen gekommen. „Die momentane Situation in Hannover ist vergleichbar mit anderen Städten, in denen sich die Szenen nach rechts entwickelten“, sagt Schultze und nennt das Beispiel Borussia Dortmund.
Die Kampagne nennt Klarnamen
In Hannover sammelt die Kampagne in einem Blog Belege dafür, dass sich Ultra-Gruppen wie West Hannover nicht von Fans mit rechtsextremem Hintergrund distanzierten. Die Kampagne nennt Klarnamen von Menschen, die sie der Neonazi-Szene zuordnet und weist auf personelle Überschneidungen zur aufgelösten, rechten Hooligan-Gruppe Royal Riot Hannover hin. Der Rechtsruck in der Kurve sei schon seit 2010 beobachtbar.
Am 22. Dezember vergangenen Jahres seien die Flyer-Verteiler unvermittelt und massiv von Personen aus der hannoverschen UItra-Szene attackiert und geschlagen worden, heißt es in einer Stellungnahme der Kampagne. Die ersten Angreifer seien Mitglieder von West Hannover gewesen. Dutzende Menschen sollen an der Schlägerei beteiligt gewesen sein. Die Polizei verbreitete später über Twitter, dass 35 Menschen in Gewahrsam genommen wurden und eine Anzeige wegen Landfriedensbruchs bekommen haben.
Aus dem Flyer der Kampagne „Hannover rechts außen“
Die Polizei rechnet diese 35 Personen der linken Szene zu und geht – anders als die Kampagne – davon aus, dass die Gewalt von ihnen ausgegangen ist. 13 von ihnen hätten einen Zahnschutz dabei gehabt, wie ihn Boxer*innen tragen, sagt ein Sprecher der Polizei. „Sie sollen willkürlich Personen der hannoverschen Fanszene angegriffen haben“, sagt der Sprecher.
Die Kampagne kritisiert, dass die andere Gruppe nicht festgenommen wurde. Die Polizei habe damit „aktiv ein antifaschistisches Engagement innerhalb des Stadions“ verhindert und den rechten Fans Rückendeckung gegeben.
Das Bündnis Hannovereint aus unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Fanszene veröffentlichte ebenfalls ein Statement zu dem Vorfall. Dort heißt es, die Flyer-Verteiler seien bekannte Gesichter „aus Kreisen der ‚Antifa‘“ und „linksextreme Vollidioten, die ihre Propaganda im Stadion verbreiten wollen“.
In den Flyern würden „Personen der hannoverschen Fanszene öffentlich diffamiert und bloßgestellt“ und ein „erlogenes rechtes Bild der Szene und einzelner Gruppen konstruiert“. Dabei habe die Szene in der Vergangenheit bereits „deutlich gemacht, dass das Niederachsenstadion kein Ort für rechtes Auftreten ist“.
Hannover immer schon pluralistisch
Aus der Ultra-Szene selbst ist zu hören, dass diese in Hannover schon immer pluralistisch gewesen sei und verschiedene Meinungen und Strömungen geduldet würden. Richtige Neonazis gebe es aber nicht, die würden „rausgeprügelt“.
Von anderen Fans heißt es hingegen, die Gruppierungen bemühten sich darum, dass die rechte Gesinnung ihrer Mitglieder nicht nach außen dringt. Eine geschlossene, stramm rechte Gruppe gebe es zwar nicht, aber Einzelpersonen, die geduldet würden.
„Dass der Einfluss rechter Fans gewachsen ist, können wir bei 96 nicht bestätigen“, widerspricht hingegen Heiko Rehberg, der Sprecher von Hannover 96. Seit Jahren gebe es ein großes Engagement gegen rechts. „In der Rückrunde werden wir ein Heimspiel dafür nutzen, deutlich zu machen, für welche Werte Hannover 96 steht.“ Das Fanprojekt, in dem es einen Arbeitskreis gegen Rassismus gibt, äußerte sich auf Anfrage der taz hingegen nicht.
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