■ Nazi-Rock: Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen: Kein Schlag gegen Neonazis
Der Staat hat Flagge gezeigt: Bei der Durchsuchung von 16 Wohnungen und Warenlagern in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wurden CDs und Musikkassetten und neonazistisches Propagandamaterial beschlagnahmt. Einen konkreten Anlaß für diese konzertierte Aktion gab es nicht. Hintergrund dürfte sein, daß zwar die rechtextreme Gewalt seit einiger Zeit stagniert und zurückgeht, Propagandadelikte dagegen rasant ansteigen. Die Fahnder gehen davon aus, daß Rechtsrock den Neonazi-Organisationen dazu dient, jugendlichen Nachwuchs zu ködern. Vor allem die Jungen Nationaldemokraten versuchen dies seit Jahren erfolglos.
Rechtsrock ist nicht zur Rekrutierung von Jugendlichen für den organisierten Rechtsextremismus geeignet, auch wenn Polizei, Verfassungsschutz und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften dies behaupten. Konzerte finden quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Dort tummeln sich nicht unbedarfte Jugendliche, sondern alte Bekannte aus der „Szene“. CDs und Kassetten werden über ähnlich klandestine Wege vertrieben. Radio- und TV- Sender boykottieren rechtsrockverdächtige Produktionen ebenso wie der Handel. Etwa 6.000 bis 8.000 Fans konsumieren häufiger Rechtsrock; die Szene ist klein und seit Jahren relativ konstant und würde womöglich schrumpfen, würden die Bands des Thrills der Illegalität beraubt.
Indizierungen und Beschlagnahmen erschweren vielleicht den Zugriff und erhöhen die Preise, verhindern die Verbreitung aber nicht wirklich. Seitdem CD-Brenner für ein paar hundert Mark zu bekommen sind, finden sich beschlagnahmte Produktionen schon wenige Tage später wieder in den Angebotslisten. Die Veröffentlichungszahlen belegen: die staatlichen Zwangsmaßnahmen haben bisher keine Verringerung des Marktes, sondern einen Professionalisierungsschub bewirkt.
Auffällig ist, daß sich alle staatlichen Maßnahmen der letzten Zeit gegen kleine Konkurrenten von Rock-O-Rama richteten, dem weltweit bedeutendsten Vertrieb von Rechtsrock, der seit drei Jahren mit Samthandschuhen angefaßt wird. Erst am 4. Juli stellte die Staatsanwaltschaft Köln ein durch eine private Strafanzeige in Gang gekommenes Ermittlungsverfahrern wegen des Vertriebes einer Neonazi-CD mit der Begründung ein, der Rock-O-Rama-Betreiber habe die Nazi-Insignien im CD-Booklet nicht bemerkt. Klaus Farin
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