Nato zu Afghanistan: Gipfel widersprüchlicher Signale
Die Nato versucht einen Spagat – in den Ländern, die Truppen in Afghanistan haben, herrscht Kriegsmüdigkeit. Vor Ort wird Hilfe erwartet. Ein Kompromiss zeichnet sich ab.
BERLIN taz | Der Nato-Gipfel in Chicago, der mit dem Thema Afghanistan am Montag enden soll, hat dazu widersprüchliche Botschaften: Den kriegsmüden Bevölkerungen der 50 Staaten mit Truppen am Hindukusch (darunter 28 der Nato) soll signalisiert werden, dass die Allianz von dort wie geplant bis Ende 2014 ihre Kampftruppen abzieht.
Den Afghanen soll aber zugleich versprochen werden, dass die Nato ihr Land nicht im Stich lässt, sondern sich dort auch nach 2014 engagiert. Bereits Mitte 2013 sollen afghanische Sicherheitskräfte die landesweite Verantwortung übernehmen.
Schon vor dem Gipfel hatte Frankreichs neuer Präsident François Hollande für Unmut gesorgt, weil er die 3.300 französischen Soldaten schon bis Ende 2012 abziehen will. Der Oberbefehlshaber der Isaf-Truppen in Afghanistan, General John Allen, sagte zwar, er erwarte dadurch „keine Verschlechterung der Sicherheitslage“. Doch wird Hollandes Ankündigung als falsches Signal kritisiert, das der Glaubwürdigkeit der Nato in Afghanistan schadet.
In Chicago zeichnet sich ein Kompromiss ab, wie es ihn schon beim Abzug der Kanadier und Niederländer gab: Hollande verspricht, Frankreich werde sich auch nach 2014 an der Ausbildung afghanischer Kräfte beteiligen. Ob dies auch Bestand hat, wenn die Taliban, wie geschehen, Rekruten anwerben und diese dann französischen Ausbilder töten, wird sich zeigen.
Thema ist auch die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte nach 2014, die jetzt im Oktober ihre Sollstärke von 352.000 erreichen sollen. Da jedoch niemand deren hohe Kosten bezahlen will, sollen sie bis 2015 wieder auf 228.000 reduziert werden, was immer noch 4,1 Milliarden Dollar im Jahr kosten soll. Davon übernehmen die USA die Hälfte. Jetzt gibt es Zusagen für eine weitere Milliarde, davon 190 Millionen aus Deutschland.
Ab 2015 sollen Ausbildung und Beratung der Afghanen alleiniges Einsatzziel der Isaf-Truppe sein. Laut Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière ist dafür ein neues UN-Mandat nötig. Zuerst muss jedoch noch der Truppenabzug geklärt werden, der teurer und komplizierter sei als die Entsendung. Unklar bleibt, ob er über Pakistan erfolgen kann. Seit November lässt das Land keine Nato-Konvois mehr durch. Laut US-Medien soll Islamabad bis zu 25 Mal mehr pro Container verlangen als zuvor gezahlt wurde.
Am Vortag hatte die Nato einen Teil ihrer Raketenabwehr in Europa offiziell in Betrieb genommen. In dem Abwehrsystem werden Satelliten, Schiffe, Radaranlagen und Abfangraketen der Nato-Länder zusammengefügt, um Europa vor Raketen mit einer Reichweite von bis zu 3.000 Kilometern zu schützen.
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