Nato in Afghanistan: Großoffensive gegen Taliban
US-geführte Truppen bereiten sich auf eine Militäraktion gegen eine Taliban-Bastion in der Provinz Helmand vor. Zehntausende Bewohner der Kleinstadt Mardscha fliehen
DELHI taz | Zehntausende Menschen in der südafghanischen Provinz Helmand sind auf der Flucht. Sie beladen Autos und Traktoren mit ihren Habseligkeiten und verlassen die Region um die Kleinstadt Mardscha, die unter der Kontrolle der Taliban steht. In einiger Entfernung bringen sich starke Verbände der US-geführten Truppen in Stellung.
Die Offensive gegen die letzte große Taliban-Bastion im Süden steht unmittelbar bevor. Es dürfte eine der größten Militäraktionen werden, seit ausländische Truppen Ende 2001 in Afghanistan einmarschierten. Vermutlich in den kommenden Tagen werden britische Truppen mit amerikanischen und afghanischen Einheiten die Operation "Moschtarak" ("gemeinsam") starten. Mardscha gilt als Hauptziel.
Es ist nicht das erste Mal, dass es in Helmand zu Gefechten zwischen Aufständischen und ausländischen Truppen kommt. 2006 unterzeichneten Vertreter der britischen Armee, die in der Region stationiert ist, ein Waffenstillstandsabkommen mit den Taliban. Die Briten hatten viel zu wenige Soldaten, um nach erfolgreichen Offensiven die riesigen Wüstengebiete der Region zu halten. Die Taliban waren nie stark genug, um größere Gebiete einzunehmen und dauerhaft unter ihre Kontrolle zu bringen.
Doch nun sollen die Militanten auf Dauer vertrieben werden. Nach dem Ende der Offensive würden neu ausgebildete afghanische Polizisten in der Region stationiert, um eine Rückkehr der Militanten zu verhindern, hieß es aus Nato-Kreisen. Der Nato-Oberbefehlshaber in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, sagte, die Operation werde "ein starkes Signal aussenden", dass die afghanische Regierung ihren Einflussbereich ausweite. Der Oberbefehlshaber der Operation, der britische Generalmajor Nick Carter, sagte, die Offensive werde die erste große Bewährungsprobe für die neue Afghanistanstrategie von US-Präsident Obama. Und diese lautet: Zuckerbrot und Peitsche.
In den vergangenen Wochen haben zahlreiche hochrangige US-Vertreter, unter ihnen Außenministerin Hillary Clinton, Gespräche mit den Aufständischen in Aussicht gestellt. Auch Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte Verhandlungen mit den Taliban gefordert. Diese müssten der Gewalt abschwören, könnten danach aber Teil einer Koalitionsregierung werden. Doch im selben Atemzug hatte McChrystal gewarnt, dass es erst eine drastische Zunahme der Gewalt geben werde, bis die Taliban so geschwächt wären, dass sie Gesprächen zustimmten.
Daher soll die Offensive im Machtzentrum der Aufständischen ein klares Signal aussenden. Seit Tagen fordern die US-geführten Truppen die Bewohner auf, die Region zu verlassen. Der Verlust der Kontrolle über Helmand hätte für die Taliban weitreichende Folgen: Sie würden einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen verlieren. Die Bauern in Helmand stellen mehr als 40 Prozent des weltweit produzierten Opiums her.
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